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Protektionismus à la Trump – Strafzölle als „Force Majeure“?
Donald Trump ist etwas mehr als 100 Tage im Amt. Und schon diese kurze Zeit hat ausgereicht, den Welthandel gehörig unter Druck zu setzen. Zwischenzeitlich sind Importe aus fast allen Ländern der Welt mit „Strafzöllen“ belegt. Dadurch stehen die Lieferketten nach der Corona-Krise und dem Angriff Russlands auf die Ukraine vor einer weiteren enormen Belastungsprobe. Wir zeigen in diesem Beitrag, wer die mit den Zöllen verbundenen Kosten – aus rechtlicher Sicht – zu tragen hat und wie sich deutsche Exporteure dagegen wappnen können.
„Strafzölle“ sind normale Einfuhrzölle
Zunächst einmal handelt es sich bei den angedrohten „Strafzöllen“ im Grunde um „ganz normale“ Einfuhrzölle. Diese sind – sofern keine abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen wurde – entsprechend vom Einführer zu übernehmen. Nach diesen Grundsätzen werden die Zölle vor allem die importierenden US-Unternehmen treffen (die diese dann in Form von höheren Preisen an die Verbraucher weitergeben).
Diese Risikoverteilung kann in Verträgen aber natürlich abweichend geregelt werden und von dieser Möglichkeit wird im internationalen Handel auch regelmäßig Gebrauch gemacht. So finden sich etwa vereinzelt isolierte Regelungen, wonach sich der Verkäufer (Exporteur) auch um die Verzollung der Ware zu kümmern hat. Bei Warenlieferverträgen ergibt sich diese Pflicht aber häufiger – oftmals ohne Bewusstsein des Exporteurs – aus der Geltung des anwendbaren Incoterm. Bei den Incoterms (2020) handelt es sich um freiwillige Klauseln im internationalen Warenhandel, welche die wechselseitigen Pflichten der Verkäufer und Käufer mit Blick auf die Lieferung und Zahlung regeln (Gefahrübergang, Transportkosten etc.).
Augen auf bei der Wahl des passenden INCOTERM
Hier ist bei dem Handel mit US-Unternehmen unbedingt darauf zu achten, nicht den Incoterm „DDP“ („Delivered, Duty paid“) zu wählen. Denn dieser Incoterm (zu Deutsch: „Geliefert verzollt“) bedeutet, dass die Lieferung erst dann erfolgt, wenn der Verkäufer die zur Einfuhr freigemachte Ware dem Käufer am Bestimmungsort entladebereit zur Verfügung stellt. Der Verkäufer hat danach alle Kosten und Gefahren im Zusammenhang mit der Beförderung der Ware bis zum Bestimmungsort zu tragen. Dabei trifft ihn insbesondere auch die Pflicht, die Ware für die Einfuhr freizumachen und entsprechende Einfuhrzölle zu entrichten.
Bei der Wahl des Incoterm „DDP“ wird der Verkäufer somit zum Importeur im Bestimmungsstaat. Bei Lieferungen in die USA hat der europäische Lieferant die Strafzölle deswegen unmittelbar zu tragen. Ein erhebliches Risiko, das sich alle europäischen Exporteure bewusst machen müssen!
Strafzölle sind in der Regel kein Fall von „Force Majeure“
Häufig wird fälschlich angenommen, dass bereits vergleichsweise geringe vertragliche Erschwerungen einen Fall von „Force Majeure“ begründen. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn im Ausgangspunkt gilt hier das Rechtsprinzip „Pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten Die Strafzölle müssen deswegen eine erhebliche Höhe erreichen (wie etwa im Fall von China), um einen Fall von Force Majeure zu begründen.
Bei Geltung deutschen Rechts ist die Vereinbarung einer Force Majeure-Klausel zudem eigentlich überflüssig. Denn insbesondere mit den Bestimmungen über die „Störung der Geschäftsgrundlage“ in § 313 BGB steht eine gesetzliche Regelung zur Verfügung, die genau diese Fälle regelt. Danach kann eine Anpassung des Vertrags immer dann verlangt werden, wenn sich die Vertragsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der betroffenen Partei ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist.
Zwar ist anerkannt, dass grundsätzlich auch eine Änderung der Wirtschaftsgesetzgebung – dazu würden auch die Strafzölle gehören – einen solchen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen kann. Die vom BGH hier aufgestellten Hürden sind allerdings sehr hoch! So fordern die deutschen Gerichte, dass eine Anpassung „zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint“. Angenommen wurde dies etwa hinsichtlich eines Vertrags über den Export von Bier in den Iran, der vor der islamischen Revolution geschlossen wurde und danach wegen des Verbots des Konsums von Alkohol im Iran nicht mehr abgewickelt werden konnte (BGH, Urteil vom 8. Februar 1984 – VII ZR 254/82).
Strafzölle sind erwartbar und machen die Leistung nicht unzumutbar
Strafzölle in Höhe von 10-20% – wie sie momentan für die EU wohl realistisch sind –dürften für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage danach wohl nicht ausreichen. Bei der Frage der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag wird zudem zu berücksichtigen sein, dass der jeweilige Importeur das Risiko von entsprechenden Änderungen der Zolltarife in der Regel bewusst übernommen hat. Zudem dürfte nur schwer zu begründen sein, dass Strafzölle nach der ersten Amtszeit von Trump nicht erwartbar waren.
Bei der Vereinbarung einer Force Majeure-Klausel gilt in der Regel nichts anderes. Denn auch diese Klauseln enthalten – vergleichbar mit § 313 BGB – ein Element der Vorhersehbarkeit und Zumutbarkeit. Deswegen erscheint es aus den genannten Gründen eher fernliegend, dass eine derartige Force Majeure-Klausel bei der Verhängung von Strafzöllen greifen würde. Letztlich muss eine Anwendbarkeit der jeweiligen Klausel auf Strafzölle aufgrund der häufig individuellen Formulierung aber für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden.
Ausweg: Anpassung der Force Majeure-Klausel oder Preisanpassungsklausel
Sofern ein neuer Vertrag für Lieferungen in die USA geschlossen wird, sollten mögliche Strafzölle direkt in der Force Majeure-Klausel adressiert werden. So kann etwa definiert werden, ab welcher Höhe der Einfuhrzölle von einer übermäßigen Erschwerung auszugehen ist. Darüber hinaus sollte direkt auch geregelt werden, was die vertragliche Folge für die Parteien sein soll (etwa eine hälftige Teilung, Neuverhandlung durch die Parteien o.ä.).
Sofern sich der europäische Lieferant tatsächlich – etwa unter Geltung des Incoterm DDP – um die Verzollung in den USA zu kümmern hat, kann auch eine Preisanpassungsklausel zur Adressierung der Risiken durch drohende Strafzölle in den Vertrag aufgenommen werden. In Betracht kommt insofern insbesondere eine sog. „Kostenelementeklausel“, welche es – bei geschickter Formulierung – erlauben würde, die Strafzölle mittels Anpassung des Verkaufspreises an den Käufer weiterzugeben.
Verträge jetzt prüfen, um auf einen Handelskrieg vorbereitet zu sein
Donald Trump hat mit seinen „Strafzöllen“ den internationalen Handel gehörig unter Druck gesetzt. Die weitere Entwicklung ist nicht absehbar – ein Handelskrieg droht. In laufenden Vertragsbeziehungen besteht insbesondere bei der Pflicht zur Übernahme der Verzollung – etwa durch den Incoterm DDP – deswegen dringender Handlungsbedarf. Sofern Nachverhandlungen nicht durchsetzbar sind, sollte – abhängig von der unter dem Vertrag erzielten Marge – auch eine mögliche Kündigung zumindest vorbereitet werden. Zudem sollte der Vertrag daraufhin geprüft werden, ob er eine Force Majeure-Klausel enthält, welche im Fall der Fälle die Risiken abfedern könnte.
Für neu abgeschlossene Verträge sollte – wenn möglich – der Incoterm DDP für das US-Geschäft vermieden werden. Sofern dies nicht durchsetzbar oder nicht gewollt ist, sollte zumindest eine entsprechende Preisanpassungsklausel oder Force Majeure-Klausel in den Vertrag aufgenommen werden. Letztere sollte das Risiko der drohenden Strafzölle – wie oben dargelegt – explizit adressieren. Auch wenn der europäische Lieferant die Zölle nicht tragen muss, bietet sich die Aufnahme einer solchen Klausel zumindest bei der Geltung ausländischen Rechts an. Denn dann besteht zumindest Rechtssicherheit für den Fall, dass die Zölle tatsächlich kommen.
Dr. Max Finkelmeier
Rechtsanwalt | Principal Counsel
Rechtsanwalt | Partner
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