Vorfahrt für den Waldschutz: Die Auswirkungen der neuen EU-Entwaldungsverordnung für die Automobilindustrie
Mit der EU-Entwaldungsverordnung – auch als European Deforestation Regulation (EUDR) bezeichnet (EU 2023/1115) – hat die EU eine Verordnung erlassen, die mit Wirkung zum 30. Dezember 2024 Unternehmen unterschiedlichste Sorgfaltspflichten auferlegt, um der globalen Entwaldung entgegenzuwirken. Nachdem zwischen 1990 und 2020 weltweit etwa 420 Mio. Hektar Wald – eine Fläche größer als die EU – verloren gegangen sind, sollen in Zukunft nur noch entwaldungsfreie Produkte auf dem EU-Markt zugelassen werden. Auch im Automobilsektor werden einige Rohstoffe verwendet, die potentiell von entwaldeten Flächen stammen und deshalb von der EUDR umfasst sind. Was genau auf die Unternehmen – insbesondere in der Automobilindustrie – zukommt, und auf was die Kunden sich in Zukunft einstellen müssen, lesen Sie in diesem Beitrag.
EUDR umfasst die für die Automobilindustrie relevanten Rohstoffe Kautschuk und Rinder
Ziel der EUDR ist es, den Beitrag der Union zur weltweiten Entwaldung, Waldschädigung und den Treibhausgasemissionen zu minimieren, sowie die biologische Vielfalt zu schützen. Die EUDR löst dabei die EUTR (European Timber Regulation, EU 995/2010) ab. Die EUTR stellte bereits an die Abgabe von Holz und Holzerzeugnissen auf dem EU-Binnenmarkt umfassende Compliance-Anforderungen.
Der Anwendungsbereich der EUDR geht über den der EUTR deutlich hinaus. Neben Holz, das für die Automobilindustrie bisher weniger relevant war, müssen künftig insgesamt sieben Rohstoffe und deren Erzeugnisse (nachfolgend "Produkte") entwaldungsfrei sein, worunter unter anderem auch Leder und Gummi fallen. Automobilhersteller zählen zu den Hauptimporteuren von Leder (von Rindern) und Gummi (aus Kautschuk), sodass die neue Verordnung für diesen Sektor besonders relevant ist. Rund 70% des Naturkautschuks, der nach Deutschland importiert wird, wird in Autoreifen verarbeitet. Weltweit verwendet die Automobilindustrie ca. 20% der verfügbaren Tierhäute.
Gerade diese beiden Produkte werden besonders oft auf entwaldeten Flächen hergestellt und von dort aus auf den EU-Markt gebracht. In den letzten Jahren kam es deshalb immer wieder zu Skandalen aufgrund von Vorwürfen der Regenwaldrodung durch deutsche Automobilkonzerne.
Die Pflichten der EUDR im Einzelnen
Als Reaktion darauf, hat sich die EU im letzten Jahr dieser Thematik gewidmet. Ab dem 30. Dezember 2024 sind solche Importe nicht mehr möglich, denn mit der neuen Verordnung gilt ein generelles Verbot für die Ein- und Ausfuhr relevanter Produkte, die den Voraussetzungen der EUDR nicht entsprechen. Mit der EUDR dürfen relevante Produkte nur dann in Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt oder ausgeführt werden, wenn sie entwaldungsfrei sind, nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und für sie eine Sorgfaltserklärung vorliegt. Die Automobilhersteller müssen zukünftig Informationen über relevante Produkte, die Unternehmen der Lieferkette, die Menge der Produkte und vor allem das Erzeugungsland inklusive der exakten Geolokalisierungskoordinaten sammeln und in einer Sorgfaltserklärung zusammenfassen. Die Ermittlung der geografischen Koordinaten der Grundstücke stellt dabei das wohl anspruchsvollstes Kriterium dar. Darüber hinaus müssen betroffene Unternehmen eine Risikoanalyse- und ggf. auch Risikominderung durchführen, um sicherzustellen, dass kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko dahin gehend besteht, dass die relevanten Produkte nichtkonform mit der EUDR sind. Trotz der Herausforderungen, die die EUDR schon jetzt für alle Unternehmen mit sich bringt, sollte sie auch als Chance ergriffen werden. Neben einem Beitrag zum weltweiten Waldschutz kann die EUDR für die Automobilindustrie die Möglichkeit eröffnen, Alternativen zu Kautschuk und Leder in der Produktion einzubeziehen und die eigene Lieferkette genau unter die Lupe zu nehmen.
Fazit
Viele Automobilhersteller rüsten in Voraussicht der sich nähernden Pflichten unter der EUDR bereits auf Lederalternativen um und streichen Leder in Zukunft aus ihrer Produktion. Ob auch bei Autoreifen auf Alternativen zu Kautschuk zurückgegriffen wird und wie die Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Konkreten ausgestaltet wird, bleibt jedoch abzuwarten. Sicher ist, dass auf die Automobilindustrie wichtige Neuerungen zukommen, die sich auch auf die Käufer auswirken werden.
Näherer Erläuterungen zu den Voraussetzungen der EUDR und welche anderen Rohstoffe außerdem betroffen sind, finden Sie unter CMS Bloggt - Die neue EU-Entwaldungsverordnung.
Dr. André Lippert
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Constanze Schweidtmann, LL.M. (Stockholm)
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