Sprache und Sprachrisiko im Arbeitsrecht – Rechtliche Herausforderungen bei der Einstellung sprachunkundiger Mitarbeitender

Derzeit möchten viele Unternehmen geflüchteten Menschen helfen, indem sie ihnen Arbeitsplätze anbieten. Aufgrund des Fachkräftemangels wird dabei auch erwogen, Menschen einzustellen, die (jedenfalls aktuell) weder Deutsch noch Englisch sprechen. Welche arbeitsrechtlichen Herausforderungen hiermit verbunden sind und wie Unternehmen diesen begegnen können, lesen Sie in diesem Beitrag.

Arbeitsvertrag und Direktionsrecht

Die Tatsache, dass Mitarbeitende weder der deutschen noch der englischen Sprache mächtig sind, steht dem Abschluss eines deutsch- oder englischsprachigen Arbeitsvertrages grundsätzlich nicht entgegen. Ein Arbeitsvertrag kommt auch dann wirksam zustande, wenn Mitarbeitende einen solchen trotz fehlender Sprachkenntnisse unterzeichnen, dessen Inhalt also nicht verstehen, so das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 19.03.2014 – 5 AZR 252/12).

Weniger klar ist die Rechtsprechung bei der Ausübung des Direktionsrechts. Zwar tragen grundsätzlich Mitarbeitende das Sprachrisiko, da Ihnen zuzumuten ist, sich um Verständnis des Erklärungsinhalts zu bemühen und bei sprachbedingtem Unverständnis nachzufragen. Regelmäßig werden Arbeitgeber aber von den fehlenden Sprachkenntnissen ausländischer Arbeitnehmer wissen (und diese in Kauf nehmen), was das Sprachrisiko auf die Seite der Arbeitgeber verlagert. Im Ergebnis bedeutet das, dass eine nicht befolgte, weil unverstandene Weisung für die sprachunkundigen Mitarbeitenden – jedenfalls rechtlich – folgenlos bleibt.

Unabhängig davon führen sprachliche Defizite in erster Linie zu praktischen Risiken für einen reibungslosen Betriebsablauf, wenn sie dazu führen, dass der Inhalt des Arbeitsvertrags oder Arbeitsanweisungen des Vorgesetzten nicht oder nicht richtig verstanden werden.

Informations- und Unterrichtungspflichten

Arbeitgeber haben verschiedene gesetzliche oder aus der allgemeinen Fürsorgepflicht folgende Informationspflichten, bei denen aufgrund des Schutzzwecks eine Verpflichtung bestehen kann, die Informationen in die jeweilige Landessprache zu übersetzen.Insbesondere dann, wenn der Schutz sensibler Rechtsgüter betroffen ist, wird im Zweifel eine Übersetzung erforderlich sein, wie z.B. bei der Unterrichtung von Arbeitnehmern über Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften, Informationspflichten über die Erhebung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis sowie bei gesetzlichen Aushang- und Bekanntmachungspflichten (ArbZG, AGG, JSchG, MuSchG u.a.).

Sonderfall: Betriebsrat

Die Einstellung sprachunkundiger Mitarbeitender ist auch im Rahmen von Betriebsratswahlen von Bedeutung. Damit bei der Betriebsratswahl die Ausübung des passiven und aktiven Wahlrechts gewährleistet ist, sorgt der Wahlvorstand dafür, dass sprachunkundige Mitarbeitende in geeigneter Weise über das Wahlverfahren, das Wahlausschreiben, die Wählerlisten und den Wahlvorgang unterrichtet werden – im Zweifel durch Übersetzung der Dokumente in die jeweilige Landessprache. Unterbleibt dies, kann das zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen.

Langfristig ist für die Einstellung von sprachunkundigen Mitarbeitenden auch relevant, dass Arbeitgeber besondere Pflichten treffen, wenn sprachunkundige Mitarbeitende in den Betriebsrat gewählt werden. Denn unter Umständen haben Betriebsratsmitglieder einen Anspruch auf einen Dolmetscher oder zumindest die Teilnahme an Sprachkursen.

Lösungsansätze

Es sind viele Lösungen denkbar, um den verschiedenen arbeitsrechtlichen und praktischen Risiken zu begegnen. Allen voran bieten Sprachkurse eine gute Möglichkeit, ausländische Arbeitnehmer rasch zu integrieren. Teilweise gibt es auch multilinguale Mitarbeitende in Unternehmen, die den sprachunkundigen Mitarbeitenden als "Mentoren" zur Seite stehen und sie im Arbeitsalltag unterstützen. Schließlich können auch Sprachcomputer bei der Verständigung helfen. Inzwischen gibt es Apps, die das gesprochene Wort sofort in die Fremdsprache der Wahl übersetzen. Ggf. sind bei der Einführung solcher IT-Tools die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) zu beachten.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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