Sommerzeit und Arbeitsschutz – Hitzefrei für Arbeitnehmer:innen?

Zuletzt hatten wir in Deutschland mehrfach sommerliche Höchsttemperaturen zu verzeichnen – ein Ende des Sommers ist noch nicht in Sicht. In diesem Zusammenhang kommt häufig die Frage auf, wie sich solch hohe Temperaturen auf Arbeitsverhältnisse auswirken. Wir gehen in unserem Beitrag den Fragen nach, ob Arbeitnehmer:innen Anspruch auf Hitzefrei haben und wie es mit weiteren arbeitgeberseitigen Arbeitsschutzmaßnahmen gegen die Hitze aussieht.

Gesetzliche Grundlagen

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die gesetzliche Regelungslandschaft für Arbeiten bei sommerlichen Höchsttemperaturen ist überschaubar. Regelungen finden sich vor allem im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Die sog. Technischen Regeln Arbeitsstätten (ASR) konkretisieren die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung und geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Hält der Arbeitgeber sich an die Technischen Regeln für Arbeitsstätten, so kann er davon ausgehen, die Anforderungen der Verordnung zu erfüllen.

Welche Regelungen gelten nun in Bezug auf die Raumtemperatur in den Arbeitsräumen?

Mindestwerte für die Lufttemperatur richten sich nach der Art der zu verrichtenden Arbeit – relevant sind die überwiegende Körperhaltung (sitzen/stehen oder gehen) sowie die Arbeitsschwere (leicht/mittel/schwer) – und liegen demnach zwischen +20 °C und +12 °C (ASR A3.5 – Raumtemperatur Nr. 4.2 Abs. 2 – Tabelle 1 und Tabelle 2). Im Gegensatz zu den Mindestwerten der Lufttemperatur in Arbeitsräumen gibt es tatsächlich keine gesetzlich vorgeschriebene und damit verpflichtende Temperaturbegrenzung nach oben. Nach ASR A3.5 – Raumtemperatur Nr. 4.2 Abs. 3 soll die Lufttemperatur in den Arbeitsräumen jedoch nicht +26 °C überschreiten. Zur Erreichung des Zieles dieser Soll-Vorschrift enthalten die ASR weitere Anknüpfungspunkte.

Handlungsbedarf für den Arbeitgeber bei hohen Lufttemperaturen in den Arbeitsräumen

Zuerst anzusetzen ist nach der ASR A3.5 – Raumtemperatur Nr. 4.3 Abs. 2 an der Wurzel des Problems: beim Sonnenschutz. Die Räume sind vor übermäßiger Erwärmung zu schützen. Daher ist direkte, störende Sonneneinstrahlung auf den Arbeitsplatz zu vermeiden. Abhilfe schafft hierbei die Ausstattung mit geeigneten Sonnenschutzsystemen.

Kommt es trotz der geeigneten Vorrichtungen zum Schutz vor übermäßiger Sonneneinstrahlung zu einer Erwärmung der Räume von über +26 °C, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die dem Arbeitgeber aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht zur Verfügung stehen. ASR A3.5 – Raumtemperatur Nr. 4.4 Abs. 1, 2– Tabelle 3 führt hierzu beispielhaft die folgenden Maßnahmen auf:

  • effektive Steuerung des Sonnenschutzes (u.a. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten)
  • effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z. B. Nachtauskühlung)
  • Reduzierung von zusätzlicher Wärmeerzeugung (z. B. elektrische Geräte nur bei Bedarf betreiben)
  • Lüftung in den frühen Morgenstunden
  • Arbeitszeitverlagerung/Nutzung von Gleitzeitregelungen
  • Lockerung der Bekleidungsregelungen
  • Bereitstellung geeigneter Getränke (z. B. Trinkwasser).

Die vorgenannten Maßnahmen sind je nach „Hitzestufe“ zu beurteilen. Das bedeutet für den Arbeitgeber konkret: Kommt es zu einer Überschreitung der Raumlufttemperatur von über +26 °C, sollen die vorgenannten Maßnahmen ergriffen werden. Obacht ist aber bereits zu geben, wenn die Arbeitnehmer:innen einerseits unter erschwerten Bedingungen ihre Arbeit zu verrichten haben (wie schwere körperliche Arbeit oder das Tragen einer besonderen Schutzbekleidung, die die Wärmeabgabe stark behindert) oder andererseits besonders schutzbedürftig sind, wozu z. B. Jugendliche, Ältere, Schwangere oder stillende Mütter zählen. Bei diesen genannten Personengruppen ist über weitere Maßnahmen gegebenenfalls zu entscheiden.

Wird die 30 °C-Marke geknackt und überschritten, so müssen wirksame Maßnahmen gemäß einer Gefährdungsbeurteilung anhand der oben genannten Maßnahmen ergriffen werden. Oberstes Ziel ist es dann, die Beanspruchung der Beschäftigten zu reduzieren. ASR A3.5 gibt dabei eine Rangfolge beim Vorgehen vor: Technische und organisatorische Maßnahmen vor personenbezogenen Maßnahmen! Dem Arbeitgeber ist zu Umsicht bei der Wahl der jeweiligen Maßnahmen zu raten. Insbesondere sollte er von „Hauruckaktionen“ absehen. „Viel hilft viel.“ ist hierbei nicht immer die richtige Devise. Denn die technischen Maßnahmen, welche die Raumtemperatur auf der einen Seite reduzieren, dürfen auf der anderen Seite nicht die absolute Luftfeuchte erhöhen.

Klettert das Thermometer weiter nach oben und die Raumlufttemperatur steigt auf über +35 °C an, nähert man sich erstmals einem möglichen „Hitzefrei!“ – allerdings nicht ohne das Vorliegen weiterer erschwerender Umstände. Nur wenn der Raum während der Überschreitung der +35 °C ohne Maßnahmen technischer (z.B. Luftduschen, Wasserschleier) oder organisatorischer (z.B. Entwärmungsphasen) Art bleibt, und auch persönliche Schutzausrüstung (z.B. Hitzeschutzkleidung) fehlt, ist er als Arbeitsraum nicht geeignet. Erst an diesem Punkt gelangt man zu einem „Hitzefrei!“ für Arbeitnehmer:innen.

Bei Verstößen: Folgefragen und Drohung von Bußgeld

Was kann seitens der Arbeitnehmer:innen unternommen werden, wenn der Arbeitgeber sich nicht an die verpflichtenden Maßnahmen zur Temperaturreduzierung zum Schutz der Beschäftigten in den Arbeitsräumen hält? Praktisch kaum relevant, aber durchaus denkbar ist, dass Arbeitnehmer:innen eine Klage auf Einhaltung des Arbeitsschutzes auf § 618 BGB erheben. Im Zusammenhang mit § 618 BGB i.V.m. dem öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz ist es ferner u.U. möglich, dass Arbeitnehmer:innen gemäß § 273 BGB die Leistung verweigern kann, sofern der Arbeitgeber seinen Pflichten aus der soeben genannten Norm nicht nachkommt. Üben Arbeitnehmer:innen ihr Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB tatsächlich aus, ist zu beachten, dass es sich allerdings nicht nur um kurzfristige Verstöße des Arbeitgebers handeln darf. Anderenfalls ist das Entfernen der Arbeitnehmer:innen als treuwidrig einzustufen (§ 242 BGB). Damit besteht auch für dieses rechtliche Instrument praktisch kaum Relevanz.

Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so ist es zunächst wohl der einfachere Weg, die Beschwerde an diesen heranzutragen (§§ 84, 85 BetrVG).

Neben den Reaktionen der Arbeitnehmer:innen auf den untätig gebliebenen Arbeitgeber kommen außerdem Sanktionen für den Arbeitgeber in Betracht. Denn verstößt der Arbeitgeber gegen die Vorgaben aus ASR A3.5 i.V.m. § 3a Abs. 1 S. 1 ArbStättV, so stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 ArbStättV i.V.m. § 25 ArbSchG). Dem Arbeitgeber kann hierbei eine Geldbuße von bis zu EUR 5 000,00 drohen. Agiert der Arbeitgeber vorsätzlich und gefährdet damit das Leben oder die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen, handelt es sich gemäß § 26 Nr. 2 ArbSchG um eine strafbare Handlung. Diese kann mit Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden.

Notwendige Beteiligung des Betriebsrats

Der Betriebsrat ist nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (bei Maßnahmen nach § 6 ArbStättV, welche die Arbeitsräume betreffen) als auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG (hinsichtlich der Verlegung der Arbeitszeit oder bei Einführung von Kurzarbeit) bei der Durchführung entsprechender Maßnahmen zwingend zu beteiligen.

Fazit: Hitzefrei in den Arbeitsräumen bleibt eine Ausnahme

Hitzefrei kommt nur als ultima ratio in Betracht. D. h., zuvor hat der Arbeitgeber eine Reihe von anderen Maßnahmen – also mildere Mittel – vorrangig zu ergreifen, um die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen zu schützen.

Hält der Arbeitgeber sich an die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), so kann er davon ausgehen, die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) zu erfüllen.

Sofern der Arbeitgeber Maßnahmen nach § 6 ArbStättV sowie hinsichtlich der Arbeitszeit ergreift, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3, 7 BetrVG zwingend zu beachten.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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