Lange Zahlungsziele erfordern gesonderte Hervorhebung im Vertrag

Die europäische Zahlungsverzugs-Richtlinie erlaubt Zahlungsfristen von über 60 Tagen in Verträgen zwischen Unternehmern nur dann, wenn sie ausdrücklich im Vertrag vereinbart wurden und für den Gläubiger nicht grob nachteilig sind. Der EuGH stellt in einem aktuellen Urteil klar, dass eine derartige Vereinbarung grundsätzlich auch in Standardverträgen möglich ist. Entsprechende Regelungen müssen dabei jedoch besonders hervorgehoben werden. Näheres zu der Entscheidung und den Schranken des deutschen AGB-Rechts erfahren Sie in diesem Beitrag.

In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit stritten zwei polnische Unternehmen über die Wirksamkeit von Verträgen über die Lieferung von Maschinenbauteilen, die eine Zahlungsfrist von 120 Tagen ab Erhalt einer Rechnung vorsahen. Das zuständige polnische Gericht setzte den Rechtsstreit aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Vorgabe der europäischen Zahlungsverzugs-Richtlinie (Richtlinie 2011/7/EU), dass Zahlungsziele von über 60 Kalendertagen im Vertrag „ausdrücklich vereinbart“ werden müssen, auch erfüllt ist, wenn eine entsprechende Regelung in einem einseitig von einer Partei vorgegebenen Standardvertrag enthalten ist.

EuGH: „Ausdrückliche Vereinbarung“ erfordert mehr als bloße Nennung im Vertrag

Der EuGH stellte daraufhin fest, dass die Formulierung „im Vertrag ausdrücklich vereinbart“ die Äußerung eines übereinstimmenden Willens der Parteien beim Abschluss des Vertragsverlangt, die über die bloße Erwähnung des längeren Zahlungsziels in einer Vertragsklausel hinausgeht (EuGH, Urteil v. 6. Februar 2025 – C677/22). Diese Anforderung gelteunabhängig davon, ob es sich bei dem Vertrag um einen individuell ausgehandelten Vertrag oder um einen vorformulierten Standardvertrag handelt.

Längere Zahlungsziele grundsätzlich auch in AGB möglich, aber Hervorhebung erforderlich

Einer solchen übereinstimmenden Willensäußerung könne in einem vorformulierten Standardvertrag unter anderem Genüge getan werden, wenn die Regelungen zu den Zahlungszielen innerhalb der Vertragsunterlagen deutlich hervorgehoben werden, um sie klar von den anderen Klauseln des Vertrags zu unterscheiden und damit ihren Ausnahmecharakter zum Ausdruck zu bringen, und um es der anderen Partei so zu ermöglichen, den Regelungen in voller Kenntnis der Sachlage zuzustimmen.

Deutsches AGB-Recht setzt zusätzliche Grenzen

In Deutschland sind die Vorgaben der Zahlungsverzugs-Richtlinie im BGB umgesetzt. § 271a BGB sieht vor, dass Zahlungsziele von mehr als 60 Tagen (unabhängig vom Vertragstyp) nur vereinbart werden können, wenn diese Vereinbarung „ausdrücklich getroffen und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist.“ 

Für AGB regelt § 308 Abs. Nr. 1a BGB zusätzlich, dass darin – auch im B2B-Verhältnis – „im Zweifel“ bereits Zahlungsfristen von mehr als 30 Tagen ab Empfang der Gegenleistung oder Zugang einer Rechnung als unangemessen lang anzusehen sind. Die Vorschrift erlaubt jedoch Ausnahmen, wenn der Verwender der AGB besondere Gründe nachweisen kann, die längere Zahlungsfristen rechtfertigen.

Gesonderte Rechtfertigung und optische Herausstellung

Liegen derartige Gründe vor, empfiehlt es sich infolge des EuGH-Urteils, jedenfalls Zahlungsfristen von über 60, Kalendertagen deutlich optisch herauszustellen. Dies kann beispielsweise durch Großbuchstaben, Fettdruck oder durch andere Hervorhebungen erfolgen. Eine andere Möglichkeit, die vom EuGH geforderte „übereinstimmende Willensäußerung“ zu dokumentieren, kann darin bestehen, sich die Zahlungsfristen gesondert von der anderen Vertragspartei bestätigen zu lassen.

Ausblick: Mögliche Verschärfung der europäischen Regeln

Die EU-Kommission hat 2023 eine neue Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug vorgeschlagen, die die bestehende Zahlungsverzugs-Richtlinie ersetzen und unter anderemeine weitere Verschärfung der Vorgaben zu vertraglichen Zahlungshöchstfristen mit sich bringen soll. Der ursprüngliche Entwurf der EU-Kommission sah diesbezüglich eine einheitliche maximale Zahlungsfrist von 30 Tagen vor. Das EU-Parlament plädiert hingegen im laufenden Gesetzgebungsverfahren dafür, bei ausdrücklicher Vereinbarung auch weiterhin Fristen von bis zu 60 Tagen (in Ausnahmefällen bis zu 120 Tagen) zuzulassen. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist derzeit noch nicht absehbar. Es empfiehlt sich jedoch, die Entwicklungen im Blick zu behalten, um die eigenen Verträge erforderlichenfalls rechtzeitig an die geänderte Rechtslage anpassen zu können.

 

 

Dr. Ulrich Becker

Rechtsanwalt | Partner

 
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