Gute Nachrichten aus Erfurt – Beweislast für Überstunden bleibt bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Überstunden und ihre Abgeltung sind immer wieder Streitthema zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmern. Es stellt sich dann die Frage, wer die Ableistung von Überstunden nachweisen muss. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Arbeitszeiterfassung bestand die Befürchtung, dass den Arbeitgeber auch die Beweislast für die (Nicht-)Erbringung von Überstunden trifft. Dem ist das Bundesarbeitsgericht nun entgegengetreten.

BAG-Urteil: Darlegungs- und Beweislast bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

Die Richter des BAG halten an ihrer bisherigen Rechtsprechung fest, nach der Arbeitnehmerinnen und Arbeitgeber die Ableistung von Überstunden darlegen und beweisen müssen. Bei der Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (i) darlegen, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet wurde oder die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss, hat Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ii) vorzutragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.

„Keine Zeit für Pausen“ müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nachweisen

Dem aktuellen Urteil des BAG lag ein Fall zugrunde, in dem ein Auslieferungsfahrer seinen Arbeitgeber auf Vergütung von 348 Überstunden verklagte. Die Arbeitszeit des klagenden Arbeitnehmers wurde im Betrieb mittels technischer Zeitaufzeichnung erfasst. Dabei wurden aber nur Beginn und Ende der Arbeitszeit, nicht jedoch Pausenzeiten aufgezeichnet. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses zeigten die Zeitaufzeichnungen ein Saldo von 348 Stunden an. Dafür verlangte der Kläger Überstundenvergütung. Er behauptete, die gesamte Zeit gearbeitet zu haben, ohne Pausen einlegen zu können. Der Arbeitgeber war hingegen der Ansicht, dass die ausgewiesenen Überstunden durch zahlreiche Pausen zustande gekommen seien, zumal der Arbeitnehmer starker Raucher sei.

Das BAG sieht die Darlegungslast für die Pausenzeiten und mithin die Überstundenzahl (weiterhin) beim Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer habe im vorliegenden Fall nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten. Die bloße pauschale Behauptung, aufgrund des Umfangs der Arbeit keine Zeit für Pausen gehabt zu haben, genüge jedenfalls nicht.

"Stechuhr-Urteil" des EuGH gilt nicht für Überstunden

Damit hat das BAG erfreulicherweise klargestellt, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeitmessung nach der EuGH-Rechtsprechung (sog. Stechuhr-Urteil) keinen Einfluss auf die Beweislastverteilung im Streit um die Vergütung von Überstunden hat. Denn das Urteil des Gerichtshofs betraf lediglich die Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung hat deshalb nur den Zweck, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu schützen. Die Frage der Vergütung von Überstunden betrifft sie nicht. Es fehlt dem EuGH bereits an der Kompetenz zur Entscheidung über solche Vergütungsfragen. Damit hält das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, nach der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Überstundenvergütungsprozess eine abgestufte Darlegungslast trifft.

Hintergrund zur Überstundenvergütung

Interessant zu wissen: Ein Anspruch auf Vergütung kann sich aus Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ergeben. Fehlt darin eine Abrede über die Vergütung von Überstunden, besteht dennoch ein Vergütungsanspruch, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Das ist der Fall, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeiten, als von der Vergütungsabrede erfasst. Verlangen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dieser Grundlage eine weitere Vergütung, trifft sie die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass diese Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber durch Anordnung, Duldung, Billigung oder Notwendigkeit veranlasst worden ist.

Fazit

Es bleibt weiter abzuwarten, wie der Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung durch die Arbeitgeber umsetzen wird. Auf die Beweislastverteilung in Überstundenvergütungsprozessen wirkt sich die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung jedenfalls nicht aus.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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