Gendersternchen vor Gericht – Neues zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

Fragen der Geschlechtergerechtigkeit werden aktuell nicht nur gesellschaftlich kontrovers diskutiert, sondern auch die Arbeitsgerichte sind mit dieser Thematik in der letzten Zeit immer häufiger beschäftigt. So hatte beispielsweise das LAG Schleswig-Holstein kürzlich darüber zu urteilen, ob ein sogenanntes "Gendersternchen" in einer Stellenausschreibung eine Diskriminierung darstellt. Diese Entscheidung bietet Anlass für einen Blick in das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das den arbeitsrechtlichen Rechtsrahmen für diese Fragen bildet.

Überblick über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

Der Diskriminierungsschutz im Arbeitsverhältnis ist im Wesentlichen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geregelt. Das AGG verbietet in Beschäftigung und Beruf allgemein Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Ziel des Gesetzes ist es, solche Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen. Dafür sieht das AGG im Kern ein Verbot jeglicher Benachteiligungen von Beschäftigten aufgrund der genannten Merkmale vor (§ 7 AGG). Bei einem Verstoß gegen dieses Benachteiligungsverbot hat der Arbeitgeber den dadurch entstandenen Schaden, insbesondere den entgangenen Verdienst bei einer diskriminierenden Nichteinstellung oder Nichtbeförderung, zu ersetzen (§ 15 Abs. 1 AGG). Darüber hinaus haben Beschäftigte gegen ihren Arbeitgeber selbst dann einen Entschädigungsanspruch, wenn durch die Diskriminierung kein finanzieller Schaden entstanden ist und dem Arbeitgeber weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann (§ 15 Abs. 2 AGG).

Benachteiligungsverbot des AGG gilt auch schon für Stellenanzeigen

Auch beim Ausschreibungsverfahren müssen Arbeitgeber aufgrund des AGG und den darin enthaltenen Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen besondere Vorsicht walten lassen. Das Gesetz stellt ausdrücklich klar, dass eine Stelle nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf (§ 11 AGG). Eine Stellenanzeige, die gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 AGG verstößt, führt automatisch zu der Vermutung, dass die Bewerberauswahl nicht diskriminierungsfrei erfolgt ist (§ 22 AGG).

LAG Schleswig-Holstein: Gendersternchen diskriminierungsrechtlich unbedenklich

Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts versuchen Arbeitgeber in der betrieblichen Praxis bei einer Stellenanzeige üblicherweise durch die Verwendung eines sogenannten "Gendersternchens" zu vermeiden. Ob die Verwendung solcher "Gendersternchen" in einer Stellenausschreibung jedoch überhaupt rechtlich zulässig ist, musste kürzlich das LAG Schleswig-Holstein entscheiden (Urteil vom 22.06.2021 – 3 Sa 37 öD/21).

Die klagende Partei hat, nachdem sie auf ihre Bewerbung hin eine Absage erhielt, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht, weil in der betreffenden Stellenanzeige ein "Gendersternchen" verwendet wurde (konkrete Formulierung: "schwerbehinderte Bewerber*innen"). Die zweigeschlechtlich geborene und durch chirurgische Eingriffe schwerbehinderte klagende Partei sah darin eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, da das "Gendersternchen" auf den Aspekt des Geschlechts abstelle und die gewählte Formulierung nicht geschlechtsneutral sei.

Das Arbeitsgericht hatte der klagenden Partei in der ersten Instanz zwar eine Entschädigung zugesprochen. Dies jedoch nur, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht korrekt beteiligt hatte. Das LAG Schleswig-Holstein hatte sich anschließend mit der Frage zu beschäftigen, ob die klagende Partei darüber hinaus auch einen Anspruch auf Entschädigung aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts hat. Das LAG stellte hierzu fest, dass das "Gendersternchen" gerade einer geschlechtersensiblen Sprache dienen und die Vielfalt der Geschlechter auszudrücken soll. Die Verwendung des "Gendersternchens" diskriminiere mehrgeschlechtlich geborene Menschen daher nicht. Im Ergebnis ist die Verwendung des "Gendersternchens" in Stellenausschreibungen damit unbedenklich. Gleiches gelte nach dem LAG auch für die Verwendung des Begriffs "Bewerber*innen" statt "Menschen".

Unser Rat:  Vorsicht bei Stellenanzeigen, die einen Bezug zu AGG-Kriterien ermöglichen

Dass die derzeit gesellschaftlich relevanten und mitunter kontrovers diskutierten Fragen zu gendergerechter Sprache und Gleichstellung der Geschlechter auch Gerichte beschäftigen, ist wenig verwunderlich. In Übereinstimmung mit der gängigen Praxis hielt das LAG Schleswig-Holstein das "Gendersternchen" für unbedenklich. Nichtsdestotrotz wird einmal mehr deutlich, dass Arbeitgeber sich durch die nachlässige Formulierung von Stellenanzeigen keine zusätzlichen "Baustellen" schaffen sollten. Selbst übliche und vermeintlich neutrale Formulierungen könnten die Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche des AGG auslösen.

Aus diesem Grund sollten sich Arbeitgeber stets an das Neutralitätsgebot halten und nur merkmalsneutrale Stellenanzeigen verwenden.

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Dr. Antje-Kathrin Uhl

Rechtsanwältin

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

 

 

 

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