Enge in der Lieferkette (Teil 2) – Welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten haben Unternehmen?

Auch in den letzten Monaten des Jahres 2021 hat der Kampf der Automobil- und Zulieferindustrie gegen die globalen Lieferengpässe kein Ende genommen. Während weiterhin Rohstoff- und Halbleiterknappheit die Planungssicherheit erschweren, wird schon wieder über neue „Lockdown“-Pläne diskutiert. Gerade in diesem unsicheren Umfeld ist es von Bedeutung, dass Unternehmen vorsorgen – möglichst, bevor die nächste Krise vor der Tür steht. In unserem letzten (Gast-)Beitrag haben wir zivilrechtliche Möglichkeiten aufgezeigt. Welche Vorkehrungen Unternehmen zusätzlich aus arbeitsrechtlicher Sicht treffen können, lesen Sie in diesem Beitrag.

Neues Jahr, neues Glück – auch beim Kurzarbeitergeld?

Nach wie vor können vorübergehende Arbeitsausfälle mit der Beantragung von Kurzarbeitergeld abgefangen werden. Mit der neuen Verordnung über die Bezugsdauer und Verlängerung der Erleichterungen der Kurzarbeit ("Kurzarbeitergeldverlängerungsverordnung") wird der Zugang zu Kurzarbeitergeld weiterhin erleichtert. Das heißt konkret:

  • Die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von bis zu 24 Monaten wird für weitere drei Monate verlängert – nämlich bis zum 31. März 2022.
  • Weiterhin ist (nur) erforderlich, dass mindestens 10% der Beschäftigten in einem Betrieb vom Arbeitsausfall betroffen sind.
  • Auch für Leiharbeitnehmer besteht weiterhin die Möglichkeit, Kurzarbeitergeld zu beantragen.
  • Es ist weiterhin nicht erforderlich, Minusstunden aufzubauen.

Es kommen aber auch Veränderungen auf den Arbeitgeber zu: Künftig werden zunächst nur noch 50 % der Sozialversicherungsbeiträge (statt bisher 100 %) erstattet. Wenn allerdings die Beschäftigten während der Kurzarbeit an einer unter bestimmten Voraussetzung geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen (siehe unten), werden den Arbeitgebern weitere 50 % erstattet. 

Die (beinahe) unerschöpflichen Möglichkeiten des Arbeitsvertrags

Wer sich nicht nur auf das Kurzarbeitergeld verlassen möchte, sollte einen Blick in die Arbeitsverträge seiner Beschäftigten werfen. Richtig gestaltet, lassen sie den flexiblen Einsatz von Personal zu, wenn in bestimmten Bereichen die Auslastung sinkt. Um betroffenes Personal vorübergehend auch in anderen Bereichen einsetzen zu können, bedarf es ggf. Anpassungen in den Arbeitsverträgen und die Aufnahme entsprechender Versetzungsklauseln. Bei der Ausgestaltung ist darauf zu achten, dass eine solche Klausel für den Arbeitnehmer klar verständlich sein muss.  Zudem müssen die Interessen des Arbeitnehmers bei der Ausübung des Direktionsrechts angemessen berücksichtigt werden. Rechtssicher umgesetzt, eröffnen sie dem Arbeitgeber jedoch gute Möglichkeiten, um die Produktivität auch in Krisenzeiten aufrecht zu erhalten.

Gut geplant ist halb gewonnen – Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung

Handelt es sich um ein Konzernunternehmen, bestehen zusätzliche Alternativen. Der Austausch von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen (sog. "konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung") ist vorteilhaft und aus rechtlicher Sicht möglich, aber bei falscher Umsetzung risikobehaftet. Werden Arbeitnehmer nur vorübergehend in einem anderen Konzernunternehmen eingesetzt, entfällt das Erfordernis für eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Auch hier ist darauf zu achten, dass die Arbeitsverträge eine entsprechende Konzernversetzungsklausel enthalten, sodass der Arbeitnehmer auf Basis seines bestehenden Arbeitsvertrags in einem anderen Konzernunternehmen eingesetzt werden kann, ohne einen zusätzlichen Arbeitsvertrag abschließen zu müssen.

Arbeitszeit flexibel gestalten – Arbeitszeitkonten oder Sabbaticals

In jedem Fall ist eine flexible Gestaltung von Arbeitszeit von Vorteil, um schwankende Auslastung abzufangen. Denkbar sind zum Beispiel die Einführung von Jahres- oder Monatsarbeitszeitkonten, um auf unterschiedliche Liefereinschränkungen reagieren zu können. Darüber hinaus bieten Unternehmen ihren Arbeitnehmern auch Sabbaticals an. Laut einer Studie wünschen sich 89 % der Deutschen ein Sabbatical – folglich bietet sich eine Option, mit der Arbeitgeber nicht nur Geld sparen, sondern auch etwas für ihre Arbeitgeberattraktivität tun können, letztere ist heute wichtiger denn je! Zwar besteht bei der Umsetzung solcher Maßnahmen durchaus Gestaltungsspielraum, allerdings ist rechtlich Folgendes zu beachten: Während bezahlte Freistellungen von bis zu einem Monat relativ unproblematisch mithilfe des Arbeitszeitkontos „erworben“ werden können, sind Sabbatical-Vereinbarungen bei bezahlter Freistellung von mehr als einem Monat sog. Wertguthabenvereinbarungen im Sinne des Sozialversicherungsrechts (§ 7 Abs. 1a SGB IV). Das bedeutet, es sind die Vorgaben des Sozialversicherungsrechts zu beachten. Hierzu gehört beispielsweise, das Wertguthaben gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern (vgl. § 7e SGB IV).

Freie Zeit für Qualifizierung nutzen!

Darüber hinaus können Zeiten von Auftragsmangel und Arbeitsausfall gut für die Qualifizierung der Beschäftigten genutzt werden. Mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz schuf der Gesetzgeber seit dem 01.01.2021 einen neuen Anreiz für den Arbeitgeber, die Kurzarbeit auf folgende Art und Weise zur Kostenoptimierung zu nutzen. Der Arbeitgeber erhält 50% der von ihm allein zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung für Arbeitnehmer erstattet, wenn diese die Zeiten des Arbeitsausfalls für bestimmte berufliche Weiterbildungen nutzen (§ 106 Abs. 3 SGB III). Auch das Qualifizierungschancengesetz und das Arbeit-von-morgen-Gesetz bieten weiterhin gute Möglichkeiten, die Qualifizierung von Beschäftigten mit staatlicher Unterstützung fördern zu lassen, z.B. indem Weiterbildungskosten übernommen oder Qualifizierungsmaßnahmen in einer Transfergesellschaft bezuschusst werden.

Fazit

Im Ergebnis gibt es aus arbeitsrechtlicher Sicht viele Möglichkeiten, gut durch die Krise zu kommen. Sieht man einmal von kurzfristigen Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld ab, ist allen Maßnahmen gemein, dass man möglichst frühzeitig Vorkehrungen treffen muss, um sie im Ernstfall sowie langfristig gewinnbringend einsetzen zu können.

Wir wünschen Ihnen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest, einen guten Rutsch sowie ein glückliches, erfolgreiches und vor allem gesundes neues Jahr 2022!

 

 

Dr. Antje-Kathrin Uhl

Rechtsanwältin

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

 

 

 

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