Energiepreisbremse – Entlastung für Unternehmen nicht ohne arbeitsrechtliche Auswirkungen

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (EWPBG) und des Gesetzes zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG) werden auch Unternehmen beim Bezug von Strom, Gas und Wärme entlastet. Mit der staatlichen Förderung gehen jedoch Pflichten und Verbote für die Begünstigten einher – und zwar auch solche arbeitsrechtlicher Natur. Dabei gilt: Je höher die Entlastung, desto ausgeprägter der Eingriff in die unternehmerische Freiheit. Welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen die sog. Energiepreisbremse hat, lesen Sie in diesem Beitrag.

Überblick

Das EWPBG und das StromPBG sehen in arbeitsrechtlicher Hinsicht ein gleichlaufendes Pflichten- und Verbotsprogramm für Unternehmen vor. Zum einen besteht eine Arbeitsplatzerhaltungspflicht (§ 29 EWPBG, § 37 StromPBG), zum anderen ein Boni- und Dividendenverbot (§ 29a EWPBG, § 37a StromPBG). Ob und inwieweit begünstigte Unternehmen von den Regelungen betroffen sind, hängt von der jeweiligen Entlastungssumme ab, d. h der Summe aller staatlichen Beihilfen, die das Unternehmen aufgrund des EWPBG und des StromPBG sowie weiterer Entlastungsleistungen (z. B. aufgrund des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetzes (EWSG)) insgesamt erhält (§ 2 Nr. 4 EWPBG, § 2 Nr. 5 StromPBG). Die Summe wird für jedes begünstigte Unternehmen einzeln errechnet; eine Konzernbetrachtung findet nicht statt (BT-DS 20/4683, S. 92; BT-DS 20/4685, S. 111).

Ausgehend von der Fördersumme hat die Energiepreisbremse folgende arbeitsrechtliche Auswirkungen:

Stufe 1: Förderung bis 2 Mio. Euro

Bis zu einer Entlastungssumme von 2 Mio. Euro treffen das Unternehmen keine arbeitsrechtlichen Pflichten oder Verbote.

Stufe 2: Förderung zwischen 2 Mio. und 25 Mio. Euro

Bei einer Förderung von über 2 Mio. Euro hat das Unternehmen sich zur Erhaltung von Arbeitsplätzen mindestens bis zum 30. April 2025 zu verpflichten (§ 29 Abs. 1 EWPBG, § 27 I StromPBG). Dies kann durch eine Beschäftigungsvereinbarung oder durch eine einseitige unternehmerische Erklärung zur Selbstverpflichtung erfolgen. Die Verpflichtung muss bis zum 15. Juli 2023 durch Vorlage bei der Prüfbehörde (§ 2 Nr. 11 EWPBG, § 2 Nr. 17 StromPBG) nachgewiesen werden (§ 29 Abs. 2 S. 1 und 2 EWPBG, § 37 Abs. 2 S. 1 und 2 StromPBG). Erfolgt kein Nachweis, ist nur eine Förderung bis 2 Mio. Euro möglich; übersteigende Entlastungsbeträge sind zu erstatten (§ 29 Abs. 2 S. 2 und 3 EWPBG, § 37 Abs. 2 S. 2 und 3 StromPBG)

Die Beschäftigungsvereinbarung wird durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung getroffen (§ 29 Abs. 1 S. 1 EWPBG, § 37 Abs. 1 S. 1 StromPBG). Von inhaltlichen Mindestanforderungen hat der Gesetzgeber mit Ausnahme der Erhaltungsdauer abgesehen. Die Ausgestaltung wird den Tarif- bzw. Betriebsparteien überlassen.

Die Vereinbarung kann durch eine einseitige Erklärung des Unternehmens ersetzt werden (§ 29 Abs. 1 S. 2 EWPBG, § 37 Abs. 1 S. 2 StromPBG). Das Unternehmen hat unter Beifügung vorliegender Stellungnahmen der Gewerkschaft bzw. des Betriebsrats darzulegen, wieso eine Beschäftigungsvereinbarung nicht zustande kam, und sich zu verpflichten, bis zum 30. April 2025 (oder länger) mindestens 90 Prozent der am 1. Januar 2023 vorhandenen Vollzeitäquivalente zu erhalten. Mit dem Zweck des Gesetzes ist eine durchgehende Beschäftigungsquote von über 90 Prozent zu fordern. Die Möglichkeit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen bleibt unberührt, solange zu keinem Zeitpunkt mehr als 10 % der Vollzeitäquivalente vom 1. Januar 2023 wegfallen. Die Arbeitsplatzentwicklung ist testiert durch einen Prüfer im Abschlussbericht darzustellen, die Einhaltung der Quote nachzuweisen und ein etwaiger Arbeitsplatzabbau zu begründen (§ 29 Abs. 3 Satz 1 und 2 EWPBG, § 37 Abs. 3 S. 1 und 2 StromPBG). Eine Nachweisfrist ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nach der Gesetzesbegründung sollte der Nachweis aber „in zumutbarem zeitlichen Abstand, spätestens jedoch vor dem 31. Dezember 2025 erfolgen“ (BT-DS 20/4683, S. 93; BT-DS 20/4685, S. 112).

Die vereinbarte oder zugesicherte Zahl der zu erhaltenden Arbeitsplätze kann um bis zu 50 % unterschritten werden, wenn mindestens die Hälfte der tatsächlich erhaltenen Entlastungssumme für Investitionen in den Umwelt- oder Klimaschutz aufgewendet werden (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 EWPBG, § 37 Abs. 4 Nr. 3 StromPBG). Im Falle der Erklärung zur Selbstverpflichtung ist auch darüber ein Nachweis durch Beifügung eines Investitionsplans zu erbringen (§ 29 Abs. 3 S. 3 EWPBG, § 37 Abs. 3 S. 3 StromPBG).

Stufe 3: Förderung zwischen 25 Mio. und 50 Mio. Euro

Wird das Unternehmen mit mehr als 25 Mio. Euro (abzüglich der Entlastungsbeträge nach dem EWSG) gefördert, gilt neben der Arbeitsplatzerhaltungspflicht ein eingeschränktes Boniverbot. Mitgliedern der Geschäftsleitung oder Aufsichtsorganen dürfen im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 keine Boni oder andere über das Festgehalt hinausgehende Vergütungsbestandteile (§ 87 Abs. 1 S. 1 AktG) gewährt werden, soweit diese nach dem 1. Dezember 2022 vereinbart wurden oder – auch wenn sie vorher vereinbart wurden – rechtlich nicht geboten sind (§ 29a Abs. 1 EWPBG, § 37a Abs. 1 StromPBG). Bei einer an das EBITDA geknüpften Vergütung ist die an das Unternehmen gezahlte Entlastungssumme nicht anzurechnen (§ 29a Abs. 2 EWPBG, § 37a Abs. 2 StromPBG). Auch die Grundvergütung wird dadurch begrenzt, dass sie auf das Niveau vom 1. Dezember 2022 eingefroren wird, wobei ein Inflationsausgleich möglich bleibt (§ 29a Abs. 3 S. 1 und 2 EWPBG, § 37a Abs. 3 S. 1 und 2 StromPBG). Die Grundvergütung später eingetretener Mitglieder orientiert sich entsprechend an der Grundvergütung, die den Vorgängern derselben Verantwortungsstufe zum 1. Dezember 2022 gezahlt wurde (§ 29a Abs. 3 S. 3 EWPBG, § 37a Abs. 3 S. 3 StromPBG).

Das Unternehmen kann dem Verbot dadurch entgehen, dass es bis zum 31. März 2023 gegenüber der Prüfbehörde formlos erklärt, eine Förderung über 25 Mio. Euro nach dem EWPBG und dem StromPBG nicht in Anspruch zu nehmen (§ 29a Abs. 6 EWPBG, § 37a Abs. 6 StromPBG).

Stufe 4: Förderung ab 50 Mio. Euro

Ab einer Förderung von über 50 Mio. Euro (abzüglich der Entlastungsbeträge nach dem EWSG) tritt neben die Arbeitsplatzerhaltungspflicht ein absolutes Boni- sowie ein Dividendenverbot. So ist im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 jede Gewährung einer über das Festgehalt hinausgehenden Vergütung verboten (§ 29a Abs. 4 EWPBG, § 37a Abs. 4 StromPBG), unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Vereinbarung oder der Gebotenheit einer solchen. Nicht arbeitsrechtlicher Natur ist das Verbot der Auszahlung von Dividenden oder anderer nicht vertraglich geschuldeter Gewinnausschüttungen (§ 29a Abs. 5 EWPBG, § 37a Abs. 5 StromPBG), wobei dadurch auch solche im Rahmen einer Aktienvergütung an Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsorgans untersagt sind. Auch diesen Verboten kann das Unternehmen durch die Erklärung bis zum 31. März 2023, eine Förderung über 25 Mio. Euro nach dem EWPBG und dem StromPBG nicht in Anspruch zu nehmen, entgehen (§ 29a Abs. 6 EWPBG, § 37a Abs. 6 StromPBG).

Konsequenzen bei Verstößen

Die Entlastung wird den Unternehmen unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt, wobei dieser mit der Jahresschlussrechnung erlischt (§ 8 Abs. 2 S. 1 und 2 EWPBG, § 4 Abs. 3 S. 1 und 2 StromPBG). Wird der Prüfbehörde in diesem Zeitraum bekannt, dass gegen ein gesetzliches Verbot (z. B. der Bonizahlung) verstoßen wurde, kann der Entlastungsbetrag nach allgemeinen Grundsätzen ganz oder teilweise zurückgefordert werden.

Hinsichtlich der Arbeitsplatzerhaltungspflicht erlischt der Rückforderungsvorbehalt hingegen nicht (§ 8 Abs. 2 S. 3 EWPBG, § 4 Abs. 3 S. 3 StromPBG). Die Prüfbehörde wird hierbei ein intendiertes Ermessen dahingehend eingeräumt, dass sie, erfüllt das begünstigte Unternehmen die Vorgaben der Selbstverpflichtung nicht, den Entlastungsbetrag bis zur Grenze von 2 Mio. Euro ganz oder teilweise zurückfordern soll (§ 29 Abs. 4 S. 1 EWPBG, § 37 Abs. 4 S. 1 StromPBG). Entgegen dem Wortlaut kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift für eine Unterschreitung der durch Tarifvertrag oder Tarifvereinbarung geregelten Arbeitsplatzquote nichts anderes gelten. Zur zielgenauen Ausübung des Ermessens gibt der Gesetzgeber Grundsätze der Entscheidung vor: Die Höhe der Rückforderung ist demnach abhängig von der Höhe der Unterschreitung der Arbeitsplatzquote, wobei mindestens 20 Prozent erstattet werden sollen (§ 29 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 EWPBG, § 37 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StromPBG). Bei Betriebsübergängen und Umwandlungen wird eine entsprechende Bewertung in Bezug auf den Rechtsnachfolger vorgenommen (§ 29 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 EWPBG, § 37 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StromPBG). Nur für Entlastungen nach dem StromPBG wurde geregelt, dass die Prüfbehörde den Betrag vollständig zurückfordern soll, wenn das Unternehmen seinen Geschäftsbetrieb bis zum 30. April 2025 vollständig einstellt oder ins Ausland verlagert (§ 37 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 StromPBG).

Verstöße gegen die arbeitsrechtlichen Pflichten und Verbote stellen keine Ordnungswidrigkeiten dar und sind somit nicht bußgeldbewährt.

Gestaltungsmöglichkeiten

Den Unternehmen bieten sich Möglichkeiten der Gestaltung. Dabei gilt: Je weniger Entlastung, umso weniger arbeitsrechtliche Eingriffe. Das Unternehmen kann formlos erklären, weniger als 2 Mio. bzw. 25 Mio. Euro in Anspruch zu nehmen. Dann entfallen sämtliche Pflichten (bis 2 Mio. Euro) oder zumindest die Verbote bezüglich der Bonizahlung und der Dividendenausschüttung.

Fazit

Wie sich das Unternehmen letztlich entscheidet, ist von mehreren Faktoren abhängig. In positiver Hinsicht ist das Einsparpotential durch die Entlastungen einzuschätzen. Energieintensivere Unternehmen werden freilich einen größeren Anreiz haben, die mit der Preisbremse einhergehenden arbeitsrechtlichen Eingriffe hinzunehmen. Auf der negativen Seite ist – ausgehend von der gegenwärtigen Praxis und der Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung – die Eingriffstiefe der zu erwartenden Pflichten und Verbote abzuschätzen. Welche Rolle spielt die variable Vergütung in der Bezahlung der Geschäftsleiter? Werden Dividenden gezahlt? Ist kurz- oder mittelfristig ein erheblicher Stellenabbau vorgesehen? Sind signifikante Investitionen in den Umwelt- oder Klimaschutz geplant? Anhand dieser Parameter kann das Unternehmen eine für sich optimale Entscheidung fällen. In welchem Umfang Entlastungen in Anspruch genommen werden sollten, ist letztlich eine betriebswirtschaftliche Einzelfallentscheidung.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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