Ein arbeitsrechtlicher Blick auf die Corona-Impfung

Seit Anfang des Jahres besteht für Teile der Bevölkerung die Möglichkeit, sich gegen Sars-CoV-2 (das "Coronavirus") impfen zu lassen. Viele Menschen hoffen, dass die Impfung das Ende der Pandemie einläuten wird. Gleichzeitig wirft sie eine Vielzahl neuer Rechtsfragen auf. Für Arbeitgeber ist dabei vor allem interessant, ob und in welchem Maße sie auf die Impfentscheidung ihrer Mitarbeiter Einfluss nehmen dürfen. Naturgemäß sind viele Fragen hierzu noch nicht abschließend geklärt. Dennoch möchten wir Ihnen schon jetzt eine fachliche Einschätzung zu den derzeit diskutierten arbeitsrechtlichen Fragen rund um das Thema Corona-Impfung geben.

Sind Arbeitnehmer gesetzlich zur Impfung verpflichtet?

Eine gesetzliche Pflicht zur Impfung gegen das Coronavirus besteht derzeit nicht. Hierfür bedürfte es einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die vom Gesetzgeber nach aktuellen Aussagen nicht beabsichtigt ist.

Eine Impfpflicht sieht derzeit nur das im März 2020 in Kraft getretene Masernschutzgesetz vor. Hiernach besteht eine Impfpflicht gegen das Masernvirus für Arbeitnehmer in Gesundheitseinrichtungen (z. B. Krankenhäuser oder Arztpraxen) oder in Gemeinschaftseinrichtungen (z. B. Kitas). Aber auch in diesem Fall bedeutet Impfpflicht nur, dass vom Geltungsbereich des Gesetzes erfasste Arbeitnehmer, die keinen Impfnachweis vorlegen können, nicht im jeweiligen Betrieb tätig werden dürfen, wobei ein solches Tätigkeitsverbot i.d.R. auch eine (personenbedingte) Kündigung rechtfertigen kann, nicht aber eine "Zwangsimpfung".

Kann eine Impfpflicht im Arbeitsvertrag vereinbart werden?

Eine Impfanordnung gegenüber der Belegschaft ist vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht (§ 106 GewO) nicht umfasst. Auch eine Verpflichtung zur Impfung im Arbeitsvertrag wäre – gemessen an der für Arbeitsverträge erforderlichen AGB-Kontrolle sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – im Ergebnis unwirksam und damit nicht durchsetzbar. Denn das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers an seiner grundrechtlich geschützten körperlichen Unversehrtheit überwiegt i.d.R. gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers, das betriebliche Ansteckungsrisiko zu verringern. Ausnahmen sind gleichwohl denkbar, z.B. im Gesundheits- oder Pflegebereich.

Darf der Arbeitgeber impfunwillige Arbeitnehmer sanktionieren?

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber impfunwilligen Arbeitnehmern unter Berufung auf ihr Hausrecht den Zutritt zum Betriebsgelände verweigern dürfen. Da die Impfung für Arbeitnehmer bisher freiwillig ist, üben Arbeitnehmer bei einer Impfverweigerung in zulässiger Weise ihre Rechte aus. Eine pauschale Zugangsverweigerung für ungeimpfte Arbeitnehmer verstößt daher gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot, weil sie eine Sanktion des ungeimpften Arbeitnehmers für die zulässige Ausübung seiner Rechte wäre. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die Ausübung des Hausrechts geknüpft an einen Impfnachweis nicht unbedingt den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer entfallen lässt. Hier ist insbesondere zu entscheiden, ob der Beschäftigte ohne die Impfung in der Lage ist, seine Arbeit auszuführen (z. B. im Home-Office oder in abgetrennten Betriebsbereichen).

Dennoch sind Ausnahmen auch hier denkbar. Eine Zugangsbeschränkung könnte beispielsweise in Kantinen oder engen Pausenräumen erfolgen, wenn andernfalls die anerkannten Hygiene-Regeln nicht einzuhalten sind. Um zu vermeiden, dass einzelne Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, empfiehlt sich aber die Ausarbeitung eines betrieblichen Hygienekonzepts.

Dürfen Arbeitgeber geimpften Arbeitnehmern Vorteile gewähren?

Im Ergebnis ist Arbeitgebern zu empfehlen, auf eine freiwillige Impfteilnahme zu setzen. Ein Arbeitgeber darf seinen Arbeitnehmern Vorteile gewähren, wenn sie in eine Impfung einwilligen.

Da die Impfung zum jetzigen Zeitpunkt nur freiwillig erfolgen kann, bietet es sich an, Arbeitnehmer bei ihrer Impfentscheidung zu unterstützen. Hierzu können Arbeitgeber Arbeitnehmern die Möglichkeit verschaffen, sich umfassend über Nutzen und Risiken der Impfung zu informieren. Darüber hinaus bietet es sich an, Arbeitnehmer aufgrund der begrenzten Terminvergabe im Falle einer Impfbereitschaft für die Dauer der Impfung von der Arbeit freizustellen. Auch steht es Arbeitgebern bei einer entsprechenden Verfügbarkeit des Impfstoffes frei, Arbeitnehmern Impfungen im Betrieb zu ermöglichen. Bei der Grippe-Impfung ist dies bereits weit verbreitet. Wenn Arbeitgeber – wie üblich – die Kosten hierfür übernehmen, ist zu erwarten, dass dies von den Arbeitnehmern positiv aufgenommen und zahlreich in Anspruch genommen wird. Auch die Zahlung einer "Impfprämie" wäre denkbar.

Zum Schluss: Datenschutzrechtliche Erwägungen

Bei alledem stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber überhaupt nach dem Impfstatus seiner Arbeitnehmer fragen darf. Denn das Fragerecht beschränkt sich grundsätzlich nur auf Sachverhalte, an denen der Arbeitgeber ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse hat. In diesem Zusammenhang ist insbesondere von Bedeutung, dass Angaben zum Impfstatus besonders schützenswerte Gesundheitsdaten i.S.v. Art. 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind.

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sind das grundgesetzlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ins Verhältnis zum Schutzinteresse des Arbeitgebers im Hinblick auf seine übrigen Beschäftigten sowie anderweitige Präventionsmöglichkeiten (Maske, Abstand, Hygiene etc.) zu setzen.

Ob die Kenntnis des Arbeitgebers vom Impfstatus des Arbeitnehmers zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist (vgl. § 26 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz, BDSG), ist eine Frage des Einzelfalls und kann vor allem dann zweifelhaft sein, wenn das Arbeitsverhältnis auch unabhängig vom Impfstatus des Beschäftigten durchführbar ist.

In unserem Corona-Center (Link: https://cms.law/de/deu/insight/covid-19) haben wir aktuelle Informationen zu rechtlichen Fragen und Maßnahmen in der Corona-Krise zusammengefasst. Wenn Sie unsere Newsletter oder Einladungen zu unseren regelmäßig stattfindenden arbeitsrechtlichen Veranstaltungen erhalten möchten, sprechen Sie uns bitte gerne an.

Kontakt:
CMS Hasche Sigle

Dr. Antje-Kathrin Uhl
Rechtsanwältin

Dr. Anja Schöder, LL.M.
Rechtsanwältin

 

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