Diskriminierung durch "Gendern"? Gendergerechte Sprache im Arbeitsrecht

Kaum eine Diskussion wird derzeit so kontrovers geführt wie die der „gendergerechten Sprache“. Diese beschäftigt inzwischen auch die Gerichte. In einem aktuellen Rechtsstreit gegen die Audi AG klagt ein Mann wegen Benachteiligung aufgrund eines „Leitfaden für geschlechterneutrale Sprache“. Doch welche weiteren arbeitsrechtlichen Implikationen hat gendergerechte Sprache eigentlich? Ein Überblick.

Der Fall

Stein des Anstoßes war ein „Leitfaden für geschlechterneutrale Sprache“, den Audi getreu dem Motto "Vorsprung beginnt im Kopf" einführte, um ein Zeichen für Gleichberechtigung zu setzen und die Vielfalt der Geschlechter besser abzubilden. "Audi möchte gendersensible Formulierungen von nun an in der internen und externen schriftlichen Audi Kommunikation allgegenwärtig machen", hieß es. Ein Mitarbeiter eines anderen Unternehmens, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeitete, hatte den Autohersteller verklagt, weil er sich daran gestört hatte, dass die Audi-Beschäftigten in der Kommunikation mit ihm wegen des Leitfadens genderneutrale Sprache nutzen. Das LG Ingolstadt wies die Klage mit Urteil vom 29.07.2022 (Aktenzeichen: 83 O 1394/21) ab. Der Leitfaden richte sich nur an Mitarbeiter*innen der Audi AG. Zudem habe der Kläger kein „Recht, in Ruhe gelassen zu werden“, da weder unter den Aspekten der geschlechtlichen Identität noch der sprachlichen Integrität eine Beeinträchtigung des Klägers vorliege, so die Richter.

"Gendern" im Arbeitsrecht

Geschlechterneutrale Sprache spielt arbeitsrechtlich in vielerlei Hinsicht eine Rolle:

Stellenausschreibung: Bereits bei Stellenausschreibungen zeigt sich, dass die Benutzung gendergerechter Sprache unausweichlich ist. Insbesondere das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ("AGG") sieht Schadensersatzansprüche vor, sofern beispielsweise eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Stellenausschreibung vorliegt. Die Arbeitgeber*innen sind demnach dazu angehalten Stellenausschreibungen gendergerecht zu formulieren (Negativbeispiel: „männlich, jung, dynamisch“).

Betriebsablauf: Für viele Arbeitgeber*innen stellt sich die Frage, ob die interne und externe Kommunikation auf eine gendergerechte Sprache umgestellt werden kann. Diese Frage ist keinesfalls abschließend geklärt und wird in der nahen Zukunft eine breite Diskussion erfahren. Nach dem in § 106 S. 1 GewO verankerten Direktionsrecht der Arbeitgeber*innen erscheint es im Grundsatz durchaus möglich, die Einführung einer gendergerechten Sprache innerhalb eines Betriebes zu rechtfertigen. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit sich etwaige Vorgaben auf das Betriebsklima bzw. den Betriebsablauf auswirken – ganz abgesehen davon, inwieweit etwaige unwillkürliche oder auch willkürliche Verstöße etwaige Sanktionen rechtfertigen würden.

Eine Pflicht zum Gendern gibt es bisher allerdings nicht. Der BGH hat entschieden (BGH, VI ZR 143/17), dass die Verwendung des „generischen Maskulinums“ (in diesem Fall Wort: „Kunde“ durch eine Bank) keine Diskriminierung darstellt.

Mitbestimmungsrechte: Im Bereich des Betriebsverfassungsrechts (§ 75 Abs. 1 BetrVG) ist insbesondere zu beachten, dass der Betriebsrat und die Arbeitgeber*innen gemeinsam darüber zu wachen haben, dass für alle im Betrieb tätigen Personen jedwede Benachteiligung, insbesondere auch wegen des Geschlechts, im Betrieb unterbleibt. Daher kann es angezeigt sein, dass auch Betriebsräte selbst eine gewisse Verantwortung für eine „Gendergerechtigkeit“ tragen. Darüber hinaus können nach § 87 Abs. 1 BetrVG Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bestehen z.B. bei der Einführung von "Leitlinien zur gendergerechten Sprache“. Auch etwa bei Betriebsvereinbarungen sollte vorab zwischen Arbeitgeber*in und den Betriebsrat geklärt werden, in welcher „Geschlechtsform“ diese abgefasst werden, um mögliche Benachteiligungen auszuschließen.

Arbeitsverträge: Die Gendersprache muss jedoch besonders im Bereich des Arbeitsrechts Einschränkungen erleiden können. Gerade hier sollte beachtet werden, dass im Rahmen der Anpassung des Arbeitsvertrages in eine gendergerechte Sprache keine so eingreifenden Änderungen vorgenommen werden, dass Ästhetik, Lesbarkeit und vor allem Verständlichkeit des Arbeitsvertrages selbst leiden. Im Worst Case könnte durch die Einführung von Synonymen sogar eine faktische Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrages im Rahmen der Auslegung erfolgen.

Ähnlich gestaltet sich diese Problematik innerhalb der Gesetzgebung: Die Gesetzessprache muss verständlich, prägnant und zweckmäßig sein. Gesetz und Rechtsprechung leben von der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe. Es ist daher zu beachten, dass eventuelle Synonyme oder ein „geschlechtsneutrales“ Wort massive Änderungen im rechtlichen Horizont herbeiführen können.

Arbeitsschutzvorschriften (z.B. Mutterschutzgesetz): Der Gesetzgeber versuchte sich in § 1 Abs. 4 S. 1 MuSchG an einer Geschlechtsneutralität des Gesetzes, so dass die Anwendung auf jede Person, die schwanger ist, ein Kind geboren hat oder stillt, erstreckt worden ist. Allerdings wird damit wiederum auf die sprachliche Ausgestaltung des „Mitmeinens“ zurückgegriffen, die von den Vertreter*innen der gendergerechter Sprache beim generischen Maskulinum abgelehnt wird. Hierbei zeigt sich jedoch deutlich welches Konfliktpotential zwischen gendergerechter Sprache und dem Schutz etwaiger Personengruppierungen besteht.

Ausblick

Letztlich kann eine völlige Diskriminierungsfreiheit nicht erreicht werden, auch aufgrund der immer weiter voranschreitenden Entwicklung von Subidentitäten. Im Ergebnis bleibt damit abzuwarten, in welcher Tiefe „Gendersprache“ mit Hilfe maßgeschneiderter Entscheidungen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung Einklang in den Arbeitsalltag finden wird. Jedenfalls ist festzustellen, dass der Einsatz der Gendersprache als aufgeschlossen und zeitgemäß gilt, was auf dem „abgegrasten“ Bewerbungsmarkt jedenfalls einen positiven Effekt auf so manche Bewerber*innen erzielen könnte.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

Link zur Homepage: cms.law

 

Zurück