Das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz

Am 18. Juni 2021 ist das bereits seit längerem geplante Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt ("Betriebsrätemodernisierungsgesetz") in Kraft getreten. Neben Fragen der Digitalisierung, insbesondere mobiler Arbeit und Künstlicher Intelligenz, bilden den Kern des Gesetzes Änderungen, die das Wahlverfahren vereinfachen sollen. Wir geben Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Hintergrund und Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist es "die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern". Nach einer im Gesetzesentwurf zitierten Studie existieren nur in 9 % der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und 10 % der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland ein Betriebsrat. Der Gesetzesentwurf sieht in den Formalien des Verfahrens eine "Hemmschwelle". Zudem würden auch Arbeitgeber dem Gesetzgeber zufolge Arbeitnehmer "zum Teil mit drastischen Mitteln" davon abhalten Betriebsräte ins Leben zu rufen. Belege für diesen scharfen Vorwurf liefert der Gesetzentwurf nicht.

Nur geringe Erleichterung des Verfahrens von Betriebsratswahlen

Künftig ist das vereinfachte Wahlverfahren für Betriebe mit 5 bis 100 Arbeitnehmern (bisher: fünf bis 50 Arbeitnehmer) verpflichtend und in Betrieben mit 101 bis 200 Arbeitnehmern (bisher: 51 bis 100 Arbeitnehmer) kann dies vereinbart werden. Die Anzahl der erforderlichen Unterschriften der Wahlvorschläge wird herabgesetzt: In Betrieben mit weniger als 20 Arbeitnehmern sind keine Unterschriften der Wahlvorschläge mehr erforderlich (bisher: zwei Unterschriften); in Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 Arbeitnehmern bedarf es zwei Unterschriften und in Betrieben mit in der Regel über 100 Arbeitnehmern bedarf es Unterschriften von 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer (bisher in beiden Fällen: 1/20 der Arbeitnehmer, mindestens drei Unterschriften).

Ausschluss der Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl für Arbeitgeber

Eine Anfechtung der Wahl durch den Arbeitgeber ist künftig ausgeschlossen, wenn die Anfechtung auf die Unrichtigkeit der Wahlliste gestützt wird und diese Unrichtigkeit auf den Angaben des Arbeitgebers beruht. Daher sollten Arbeitgeber bereits vor der Wahl die eigenen Angaben für die Wahlliste sorgfältig auf ihre Richtigkeit überprüfen.

Ausweitung des Kündigungsschutzes im Vorfeld von Betriebsratswahlen

Zum einen sind künftig die ersten sechs (bisher: die ersten drei) in der Einladung zur Wahl genannten Arbeitnehmer vor Kündigung geschützt. Neu ist der Kündigungsschutz für sog. Vorfeld-Initiatoren. Danach ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternimmt und in einer öffentlich beglaubigten Erklärung seine Absicht erklärt, einen Betriebsrat zu errichten, von der Abgabe der beglaubigten Erklärung bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung, längstens jedoch für drei Monate, vor einer personen- oder verhaltensbedingten Kündigung geschützt.. Was alles als Vorbereitungshandlung zu verstehen ist, wird nicht definiert. Hier besteht Missbrauchspotential durch Arbeitnehmer, die ggf. selbst Kündigungsschutz im Vorfeld von Wahlen herbeiführen können. Zum anderen bleibt die Frage, ob der Arbeitgeber für die Kosten der Beglaubigungen aufkommen muss, weil sie nach § 20 Abs. 3 BetrVG zu den Kosten der Wahl gehören. Außerordentliche Kündigungen und sowie ordentliche betriebsbedingte Kündigungen bleiben zulässig.

Mitbestimmung bei mobiler Arbeit und künstlicher Intelligenz

Das Gesetz sieht einen neuen Mitbestimmungstatbestand bei der "Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird" vor (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG). Damit dürfte allerdings keine wesentliche Neuerung der Rechtslage verbunden sein. Bereits vor der Gesetzesänderung unterlag die Ausgestaltung von mobiler Arbeit der Mitbestimmung. Die Entscheidung über die Einführung ("Ob") verbleibt (weiterhin) bei dem Arbeitgeber.

Neu ist, dass der Betriebsrat hinsichtlich der Planung über den Einsatz künstlicher Intelligenz künftig vom Arbeitgeber zu unterrichten ist und der Arbeitgeber diese mit dem Betriebsrat zu beraten hat. Auch wenn bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, hat der Betriebsrat hierbei mitzubestimmen (§ 95 Abs. 1, 2a BetrVG). Besonders relevant ist, dass fortan in Fragen künstlicher Intelligenz die Hinzuziehung eines Sachverständigen für den Betriebsrat stets als erforderlich gilt. Die Betriebsparteien müssen sich jedoch auch insoweit über Kosten und Umfang des Einsatzes eines Sachverständigen einigen. Soweit der Betriebsrat eine Beauftragung vornimmt, die nach Umfang und Kosten nicht erforderlich war, kann die Tragung dieser Kosten abgelehnt werden.

Digitalisierung der Betriebsratsarbeit

Die pandemiebedingte vorübergehende Möglichkeit Sitzungen virtuell abzuhalten wird nun dauerhaft in das BetrVG übernommen. Die notwendige Ausstattung wird der Arbeitgeber vermutlich in gewissem Umfang bereitstellen müssen (§ 40 BetrVG). Der Abschluss elektronischer Betriebsvereinbarungen ist in formaler Hinsicht erleichtert. Es reicht aus, wenn dasselbe Dokument von Arbeitgeber und Betriebsrat elektronisch signiert wurde (bisher: zwei Dokumente erforderlich).

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers

Nach § 79a BetrVG soll der Betriebsrat zwar die datenschutzrechtlichen Vorschriften einhalten. Allerdings wird die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit für Datenverarbeitungen des Betriebsrates nun ausdrücklich dem Arbeitgeber zugewiesen. Dies ist problematisch, weil der Arbeitgeber gleichzeitig keinen Einfluss auf die datenschutzrechtlich relevante Arbeit des Betriebsrates hat. Dadurch besteht ein Haftungsrisiko des Arbeitgebers. Wie dieses Problem in der Praxis zu lösen ist, lässt der Gesetzentwurf offen.

Fazit

Die Anpassung der Betriebsratsarbeit an die digitalisierte Arbeitswelt ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings schöpft das Gesetz einerseits das Potential nicht aus, andererseits schafft es nicht die gewünschte Rechtsklarheit, wie bspw. In Bezug auf die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit. Für Arbeitgeber sind zudem durch einige Änderungen Mehrkosten zu erwarten. Ob der Zweck des Gesetzes, die Gründung von Betriebsräten zu erleichtern, tatsächlich gefördert wird, lässt sich bezweifeln.

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist auch Gegenstand unseres neuen Update Arbeitsrecht. Wenn Sie unsere Newsletter oder Einladungen zu unseren regelmäßig stattfindenden arbeitsrechtlichen Veranstaltungen erhalten möchten, sprechen Sie uns bitte gerne an.

 

 

Dr. Antje-Kathrin Uhl

Rechtsanwältin

Dr. Anja Schöder, LL.M.

Rechtsanwältin

 

 

 

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