Das Hinweisgeberschutzgesetz in der Praxis – wie weit geht der Kündigungsschutz?
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Arbeitgeber nicht nur zur Einrichtung interner Meldestellen (s. hierzu: Whistleblower: Das Gesetz zum Schutz von hinweisgebenden Personen im Überblick), es kann auch von gekündigten Arbeitnehmern im Kündigungsschutzverfahren geltend gemacht werden. So geschehen in einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG Niedersachsen) im November 2024. Welche arbeitsrechtlichen Implikationen damit verbunden sind und was Arbeitgeber beachten müssen, haben wir im folgenden Beitrag für Sie zusammengefasst.
Unwirksamkeit einer Kündigung wegen Regelungen des HinSchG
Ausgangspunkt der möglichen arbeitsrechtlichen Auswirkungen des HinSchG in einem Kündigungsschutzverfahren ist § 36 Abs. 1 Satz 1 HinSchG. Hiernach sind gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien verboten. Solche Repressalien sind nicht nur Versetzungen, nicht erfolgte Beförderungen oder negative Leistungsbeurteilungen. Vielmehr können auch Kündigungen unter den Begriff der Repressalien fallen, sofern sie infolge geschützter Meldungen oder Offenlegungen ausgesprochen werden. In der Konsequenz ist die Kündigung nichtig.
Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich
Es stellt sich die Frage, was eine solche geschützte Meldung bzw. Offenlegung darstellt. Unter den Begriff geschützte Meldungen fallen Mitteilungen von Informationen über Verstöße an interne oder externe Meldestellen (§ 3 Abs. 4 HinSchG). Offenlegung ist dann das Zugänglichmachen von Informationen über diese Verstöße gegenüber der Öffentlichkeit (§ 3 Abs. 5 HinSchG). Unter die abschließend im HinSchG aufgezählten relevanten Verstöße fällt bspw. der Verstoß gegen strafbewehrte Normen, gegen Vorgaben zum Umweltschutz oder bestimmte Steuervorschriften. In persönlicher Hinsicht sind (nur) die natürlichen Personen geschützt, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Kündigung nur dann nichtig ist, wenn sie infolge einer Meldung bzw. Offenlegung ausgesprochen wird. Die Meldung bzw. Offenlegung muss also ursächlich für die Repressalie (bspw. die Kündigung) sein. Ein allein zeitlicher Zusammenhang reicht dafür noch nicht aus.
Beweislast im Kündigungsschutzverfahren
Im Kündigungsschutzverfahren ist von erheblicher Bedeutung, wer das Vorhandensein einer Meldung/Offenlegung und die Kausalität zur erfolgten Kündigung beweisen muss. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Meldung/Offenlegung und Kündigung löst jedoch nach § 36 Abs. 2 HinSchG eine Vermutungsregelung zugunsten der Kausalität aus: Es wird zunächst vermutet, dass die Benachteiligung in Gestalt der Kündigung eine Repressalie für die Meldung/Offenlegung ist. Es ist sodann Aufgabe des Arbeitgebers diese Vermutung zu entkräften. Kann der Arbeitgeber zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass andere Gründe für die Kündigung ausschlaggebend waren, dann entfällt die Vermutungswirkung wieder. In der Folge obliegt es erneut dem Arbeitnehmer, solche Tatsachen vorzutragen, die das Vorliegen der Kausalität zwischen Meldung/Offenlegung und Kündigung beweisen. Das Merkmal eines Verstoßes und der darauf bezogenen Meldung muss hingegen immer der Arbeitnehmer darlegen und beweisen.
Die Entscheidung des LAG Niedersachsen
Ebendiese Beweisschwierigkeiten stellten sich im Fall des LAG Niedersachsen (Urt. v. 11.11.2024 – Az. 7 SLa 306/24). Der betreffende Arbeitnehmer war als Leiter der Rechtsabteilung beschäftigt und u.a. dafür zuständig, Vertragsprüfungen vorzunehmen und ein Compliance Management System aufzubauen. Im Kündigungsschutzverfahren berief er sich schlagwortartig u.a. auf Verstöße gegen Art. 101 und Art. 102 AEUV, um die Meldung eines Verstoßes darzulegen und so die Schutzwirkung des HinSchG herbeizuführen. Welche Tatsachen diesen Verstößen zugrunde liegen sollen, wurde von ihm jedoch nicht vorgetragen. Der Arbeitnehmer berief sich insoweit auf Geheimhaltungspflichten. Dieses Spannungsverhältnis wird jedoch in § 5 HinSchG geregelt, sodass Geheimhaltungspflichten nur in den gesetzlich abschließend geregelten Fällen Vorrang genießen. Da ein solcher Fall nicht vorlag, reichte der Tatsachenvortrag des Arbeitnehmers nicht aus, um einen Verstoß nach § 2 HinSchG anzunehmen. Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang wurde ebenso abgelehnt, da zwischen der Meldung und dem Ausspruch der Kündigung ein Zeitraum von über einem Monat lag. Zudem ließen die vom Arbeitgeber vorgebrachten Kündigungsgründe den Schluss, dass die Kündigung auf einer Meldung beruhe, nicht zu. Die Kündigung war also im Ergebnis wirksam.
Fazit
Die pauschale Behauptung eines Verstoßes nach § 2 HinSchG kann richtigerweise nicht ausreichen, um als gekündigter Arbeitnehmer vom Schutz für hinweisgebende Personen zu profitieren. Andernfalls wären einem Missbrauch der Regelungen des HinSchG Tür und Tor geöffnet. Für Arbeitgeber gilt, hierbei insbesondere einen potenziellen zeitlichen Zusammenhang zwischen einer Meldung und einer Kündigung und die damit verbundene Beweislastumkehr im Blick zu behalten.
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Prof. Dr. Marion Bernhardt |
Sven Groschischka |
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