Commercial Courts: Justizreform bringt neuen Wind ins Zivilverfahren

Ab dem 01.04.2025 soll die deutsche Zivilgerichtsbarkeit im Wettbewerb mit internationalen Schiedsgerichten besser aufgestellt sein. Das ist das Ziel des Justizstandort-Stärkungsgesetzes, das am 10.10.2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist. Eine wesentliche Neuerung, die uns dieses Gesetz beschert, ist die Einführung der Commercial Courts. Daneben wird auch die Geheimhaltung im Zivilverfahren gestärkt. Was sich hinter den Commercial Courts verbirgt und wie die deutsche Zivilgerichtsbarkeit dadurch für Wirtschaftsunternehmen attraktiver werden soll, lesen Sie in diesem Beitrag.

Oberlandesgerichte bekommen Commercial Courts

Hinter den Commercial Courts verbergen sich Senate, die zukünftig an den Oberlandesgerichten beziehungsweise Obersten Landesgerichten eingerichtet werden können. Darüber entscheiden können die Länder, die durch das verabschiedete Gesetz hierzu ermächtigt worden sind. Neben der Errichtung und der Anzahl der Senate können die Länder über die spezielle Zuständigkeit dieser entscheiden. Der Gesetzgeber hatte insofern etwa spezielle Senate für M&A-Streitigkeiten oder Kartellrecht im Blick. Diese fachliche Spezialisierung der Senate soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers bereits zur Attraktivität der neuen Commercial Courts beitragen. Erste Bundesländer haben bereits ihr Interesse an der Einführung bekundet – darunter vor allem Hamburg, das mit drei Senaten „an den Start“ gehen will.

Unternehmen haben die Wahl

Sofern nur Unternehmen an einem Rechtsstreit beteiligt sind, sind Commercial Courts sachlich für alle zivilrechtlichen Streitigkeiten ab einem Streitwert von 500.000,00 EUR zuständig (mit Ausnahme von Ansprüchen aus gewerblichem Rechtsschutz, Urheberrecht und dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Zukünftig können sich Unternehmen demnach für einige ihrer Geschäftsbeziehungen für die Zuständigkeit eines Commercial Courts entscheiden.

Dies kann vorab durch eine ausdrückliche oder konkludente Gerichtsstandsvereinbarung erfolgen oder aber durch Antrag in einem bereits anhängigen Verfahren, wenn die klagende Partei die Klage mangels entsprechender Gerichtsstandsvereinbarung zunächst in erster Instanz am Landgericht erhoben hat. Sowohl die klagende Partei als auch die beklagte Partei können nun in ihrem jeweils ersten Schriftsatz – namentlich in der Klageschrift oder der Klageerwiderung – einen Antrag auf Verweisung an den Commercial Court stellen, dem innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist von der jeweils anderen Partei zugestimmt werden muss. Ein Wechsel zu einem späteren Zeitpunkt ist allerdings nicht mehr möglich.

Vorbild Schiedsverfahren

Um das erklärte Ziel, die deutsche Zivilgerichtsbarkeit attraktiver für Unternehmen zu machen, zu erreichen, hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich an den Möglichkeiten der internationalen Schiedsgerichtbarkeit bedient. Das leuchtet ein, da gerade die Abwanderung dorthin eingedämmt werden soll.

Im Verfahren vor den Commercial Courts wird es daher zu Beginn einen Organisationstermin mit dem Gericht geben, in dem ein Verfahrensfahrplan abgestimmt und der Sach- und Streitstoff systematisiert werden kann. Vorbild ist die im Schiedsverfahren bewährte Case-Management-Conference. Ebenfalls aus dem Schiedsverfahren bekannt ist das mitlesbare Wortprotokoll, das nunmehr auf übereinstimmende Anträge der Parteien auch im Verfahren vor dem Commercial Court vom Gericht erstellt wird. Anders als im regulären Zivilprozess werden in diesem Protokoll nicht nur die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung, sondern jedes Wort festgehalten.

Verfahrensführung auf Englisch möglich

Der Gesetzgeber hat das Verfahren vor den Commercial Courts zudem mit weiteren, über die bisherige Rechtslage hinausgehenden Möglichkeiten ausgestattet. Während es bisher bereits möglich war, vor einzelnen Handelskammern für internationale Handelssachen in englischer Sprache mündlich zu verhandeln, wird es zukünftig möglich sein, das gesamte Verfahren vor dem Commercial Courts in englischer Sprache zu führen. Umfasst sind von dieser Möglichkeit demnach neben den Schriftsätzen der Parteien auch alle Mitteilungen des Gerichts einschließlich des Urteils. Die Wahl von Englisch als Gerichtssprache ist aber nicht zwingend, sondern erfolgt auf übereinstimmendem Antrag der Parteien.

Kurzer Rechtsweg führt zum Bundesgerichtshof

Wie eingangs erwähnt, können die Bundesländer Commercial Courts an den Oberlandesgerichten einrichten. In der Folge ist der Rechtsweg der Verfahren vor den Commercial Courts auf die Revision zum Bundesgerichtshof verkürzt. Um stets einen Rechtsweg zu ermöglichen, ist die Revision, anders als im „gewöhnlichen“ Zivilverfahren, aber immer zulässig.

Mehr Geheimhaltung in allen Zivilverfahren – Angemessenem Schutz von Geschäftsgeheimnissen bedarf es vorab

In allen Zivilverfahren wird es zukünftig für die Parteien möglich sein, einen besseren Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse zu erhalten. Bisher war ein Schutz ab der grundsätzlich öffentlichen Verhandlung vorgesehen. Weiter geht der Schutz der neuen Geheimhaltungsanordnungen, die durch die jeweiligen Gerichte erlassen werden können. Diese Geheimhaltungsanordnungen untersagen den beteiligten Parteien über die Dauer des Verfahrens hinaus, die nach der Anordnung als vertraulich festgestellten Informationen zu nutzen oder offenzulegen. Damit sollen die Parteien nicht mehr vor der Situation stehen, gezwungen zu sein, schriftsätzlich ohne Schutz zu Geschäftsgeheimnissen vortragen zu müssen. Der Gesetzgeber schließt hier eine erhebliche Schutzlücke.

Bei der Entscheidung über den Erlass einer Geheimhaltungsanordnung orientiert sich das jeweilige Gericht an den Bestimmungen des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Für einen erfolgreichen Antrag müssen die Informationen, die die antragsstellende Partei zu schützen beabsichtigt, daher den dortigen Anforderungen genügen. Maßgeblich für die Qualifikation einer Information als Geschäftsgeheimnis ist demnach, dass für diese Information angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen werden und dass diese Maßnahmen auch bewiesen werden können.

Um im Ernstfall von den neuen Möglichkeiten des Geheimnisschutzes auch profitieren zu können, müssen Unternehmen daher bereits vorher auf den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse das nötige Augenmerk legen. Bei der Entwicklung eines für Ihr Unternehmen geeigneten Schutzkonzepts kann Sie das von CMS entwickelte Beratungstool CMS Protect unterstützen, das in einem Drei-Stufen-Plan Schutzlücken erkennt, ein Konzept zur Schließung solcher Lücken erarbeitet und Sie bei der Implementierung dieses Konzepts begleitet.

 

 
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