Arbeitsrechtliche Restrukturierungsinstrumente (Teil 3)

Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Insbesondere die Digitalisierung und der Vormarsch der E-Mobilität stellen die Unternehmen der Branche vor große Herausforderungen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Gesamtsituation, die für viele Arbeitgeber, auch bedingt durch die Corona-Krise, ernsthafte Folgen hat. Schon bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten können arbeitsrechtliche Maßnahmen helfen, Personalkosten zu senken. Wenn solche Maßnahmen nicht mehr ausreichen, müssen auch Restrukturierungen wie z. B. Personalanpassungen als Mittel zur Unternehmensrettung in Betracht gezogen werden. Schließlich, wenn auch diese Maßnahmen nicht mehr greifen, kann eine Insolvenz drohen. In unserem dreiteiligen Newsletter geben wir Ihnen einen Überblick über arbeitsrechtliche Gestaltungselemente zur Personalkostenreduzierung bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Teil 1), bei der Notwendigkeit von Personalabbaumaßnahmen (Teil 2) und im Zusammenhang mit einer (drohenden) Insolvenz (Teil 3). Hier geht es zum dritten Teil des Newsletters:

Zwar hat die Bundesregierung einige insolvenzrechtliche Erleichterungen im Zuge der Pandemie verabschiedet, um möglichst viele Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Dennoch hat die Krise bereits Insolvenzen hervorgebracht, die (leider) nicht immer zu vermeiden sind.

Formen der Insolvenz

Das Regelinsolvenzverfahren ist die gängigste Verfahrensart des deutschen Insolvenzrechts. Ziel ist regelmäßig eine Sanierung des Unternehmens durch eine übertragende Sanierung (Asset Deal) auf eine andere Gesellschaft oder durch ein Insolvenzplanverfahren, in dessen Verlauf das Geschäft – anders als bei der übertragenden Sanierung – nicht von seinem bisherigen Rechtsträger getrennt, sondern innerhalb des insolventen Unternehmens selbst fortgeführt wird.

Neben der Regelinsolvenz ist inzwischen auch die Eigenverwaltung verbreitet. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht für die Organe/das Management des Unternehmens hier die Möglichkeit, unter Aufsicht eines Sachwalters über das schuldnerische Vermögen verwaltungs- und verfügungsbefugt zu bleiben. Sowohl die übertragende Sanierung als auch das Insolvenzplanverfahren können auch Sanierungsinstrumente in der Eigenverwaltung sein. Das Schutzschirmverfahren gemäß § 270 b InsO als besondere Spielart der Eigenverwaltung verbindet diese mit dem Insolvenzplanverfahren. Primäres Ziel ist die frühzeitige Sanierung durch einen Insolvenzplan.

Arbeitsrechtliche Besonderheiten der Insolvenz

Das Insolvenzverfahren geht mit einigen arbeitsrechtlichen Besonderheiten einher. Die aus Sicht der Arbeitnehmer entscheidende Frage betrifft die Vergütung. Arbeitnehmern, denen aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers das Gehalt nur teilweise oder gar nicht mehr ausgezahlt wird, zahlt die Agentur für Arbeit die ausstehenden Entgeltansprüche bis zu drei Monate in Form von Insolvenzgeld, d. h. grundsätzlich in der Höhe des entgangenen Nettoverdienstes. Dies gilt auch in der Eigenverwaltung, sofern das Gericht später die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anordnet oder den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ablehnt. Insolvenzgeld wird bei nicht beendeten Arbeitsverhältnissen aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt, d. h., während des vorläufigen Insolvenzverfahrens gibt es demnach kein Insolvenzgeld. Das aktuell besonders praxisrelevante Kurzarbeitergeld bleibt dabei möglich, beide Hilfen können parallel in Anspruch genommen werden.

Nach § 113 InsO können Arbeitsverhältnisse im eröffneten Verfahren stets ordentlich mit einer Kündigungsfrist von maximal drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden, sofern keine kürzere Kündigungsfrist gilt. Längere Kündigungsfristen, egal ob gesetzlich, einzel- oder tarifvertraglich geregelt, finden keine Berücksichtigung mehr. Dies gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse oder im Fall (tarif‑)vertraglicher Kündigungsverbote /-erschwernisse. § 113 InsO schließt jedoch nicht einen etwaig bestehenden besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer aus, wie etwa bei Schwerbehinderten.

Für die Sozialauswahl gibt es nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine wesentliche Erleichterung. Gemäß § 125 Abs. 1 InsO besteht eine besondere Möglichkeit des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit Namensliste. Ein solcher mit dem Betriebsrat vereinbarter Interessenausgleich hat zur Folge, dass die Betriebsbedingtheit der Kündigung vermutet wird und die Darlegungs- und Beweislast im Wesentlichen auf den klagenden Arbeitnehmer verlagert wird. Zudem wird die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit eingeschränkt. Dieser eingeschränkte Maßstab gilt sowohl für die Sozialdaten und die Bildung der Vergleichsgruppen als auch für die Herausnahme von Leistungsträgern aus der Sozialauswahl. Darüber hinaus erlaubt § 125 InsO nicht nur die Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur, sondern gerade auch deren Schaffung.

Arbeitsrechtliche Besonderheiten der „übertragenden Sanierung“

Für den Erwerber hat die „übertragende Sanierung“ (siehe oben) arbeitsrechtliche Konsequenzen. In der Regel stellt die „übertragende Sanierung“ einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB dar. Dies hat zur Folge, dass alle Arbeitsverträge und sonstige Verbindlichkeiten auf den Erwerber übergehen. Er muss also die Arbeitnehmer weiterhin nach den bestehenden Arbeitsverträgen entlohnen. Gleichzeitig haftet er für alle Verbindlichkeiten des insolventen Unternehmens. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive mag die Übernahme aller Arbeitnehmer nicht immer sinnvoll sein. Es gibt daher verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, um diese Wirkung aufzufangen. Mögliche Instrumente aus Sicht des Arbeitgebers sind hier zum Beispiel betriebsbedingte Kündigungen, Aufhebungsverträge oder eine sog. „Beschäftigungs- oder Qualifizierungsgesellschaft“. Darüber hinaus sollten Unternehmen in der Praxis beachten, dass mit dem Arbeitsverhältnis auch Zusagen und Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge übergehen. Dies gilt allerdings nur für den Versorgungsteil, der nach der Insolvenz entstanden ist. Es kann darüber hinaus im Interesse des Erwerbers liegen, einen neuen Tarifvertrag oder eine neue Betriebsvereinbarung abzuschließen. Dem steht § 613a BGB auch nicht entgegen. Dabei kann der Erwerber sogar zum Nachteil der Arbeitnehmer von Kollektivvereinbarungen des insolventen Unternehmens abweichen.

Ausblick

In unserem Corona-Center (Link: https://cms.law/de/deu/insight/covid-19) haben wir aktuelle Informationen zu rechtlichen Fragen und Maßnahmen in der Corona-Krise zusammengefasst. Wenn Sie unsere Newsletter oder Einladungen zu unseren regelmäßig stattfindenden arbeitsrechtlichen Veranstaltungen erhalten möchten, sprechen Sie uns bitte gerne an.

Kontakt:
CMS Hasche Sigle

Dr. Antje-Kathrin Uhl
Rechtsanwältin

Dr. Anja Schöder, LL.M.
Rechtsanwältin

 

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