Arbeitsrechtliche Restrukturierungsinstrumente (Teil 2)

Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Insbesondere die Digitalisierung und der Vormarsch der E-Mobilität stellen die Unternehmen der Branche vor große Herausforderungen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Gesamtsituation, die für viele Arbeitgeber, auch bedingt durch die Corona-Krise, ernsthafte Folgen hat. Schon bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten können arbeitsrechtliche Maßnahmen helfen, Personalkosten zu senken. Wenn solche Maßnahmen nicht mehr ausreichen, müssen auch Restrukturierungen wie z. B. Personalanpassungen als Mittel zur Unternehmensrettung in Betracht gezogen werden. Schließlich, wenn auch diese Maßnahmen nicht mehr greifen, kann eine Insolvenz drohen. In unserem dreiteiligen Newsletter geben wir Ihnen einen Überblick über arbeitsrechtliche Gestaltungselemente zur Personalkostenreduzierung bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Teil 1), bei der Notwendigkeit von Personalabbaumaßnahmen (Teil 2) und im Zusammenhang mit einer (drohenden) Insolvenz (Teil 3). Hier geht es zum zweiten Teil des Newsletters, der die im Allgemeinen eher unbekannten Lösungen für rentennahe Beschäftigte abbildet:

Interessenlage

Im Rahmen von Personalabbaumaßnahmen sollte stets ein besonderes Augenmerk auf Regelungen für rentennahe Arbeitnehmer liegen. Denn die Härten einer Restrukturierung treffen renten- bzw. ruhestandsnahe Arbeitnehmer oft nicht in derselben Weise wie ruhestandsferne Arbeitnehmer. Dabei fördert der Gesetzgeber nach wie vor Modelle, die ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben deutlich vor Erreichen des Rentenzugangsalters ermöglichen. Hinzu kommt, dass rentennahe Arbeitnehmer für Vorruhestandsüberlegungen häufig offen sind, solange die Bedingungen stimmen.

Im Ergebnis gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Arbeitnehmern in sog. rentennahen Jahrgängen das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu erleichtern und die Zeit bis zum Renteneintritt zu überbrücken.

Altersteilzeit

Ein klassisches Instrument hierfür ist die Altersteilzeit. Zwar gewährt die Bundesagentur für Arbeit bei Altersteilzeitvereinbarungen seit 2010 keine Leistungen mehr, jedoch gilt weiterhin das steuerliche Privileg nach § 3 Nr. 28 EStG (Steuerfreiheit der Aufstockungsbeträge, was wegen § 1 Abs. 1 Satz 1 SvEV mit der Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung einhergeht). Hierfür müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Arbeitnehmer muss bei Beginn der Altersteilzeit mindestens 55 Jahre alt sein und von den vergangenen fünf Jahren mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden haben;
  • Die Arbeitszeit muss auf 50% der bisherigen regelmäßigen Wochenarbeitszeit reduziert werden, wobei eine blockweise Erbringung der Arbeit möglich ist;
  • Die Vereinbarung muss sich zumindest auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann.

Der Arbeitgeber zahlt zusätzlich zum Arbeitslohn einen (steuer- und sozialversicherungsfreien) Aufstockungsbetrag i.H.v. mindestens 20% des regelmäßigen Arbeitsentgeltes und zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Vorruhestand

Eine weitere Möglichkeit sind Vorruhestandsvereinbarungen auf Grundlage des Vorruhestandsgesetzes. Hierdurch wird – anders als bei der Altersteilzeit – das Arbeitsverhältnis beendet. Der Vorruhestand schließt sich an das beendete Arbeitsverhältnis an und endet mit Renteneintritt. Eine Vorruhestandsvereinbarung muss folgende Bestimmungen beinhalten:

  • Der Arbeitgeber zahlt ein Vorruhestandsgeld i.H.v. mindestens 65% der letzten Bruttobezüge;
  • Das Vorruhestandsgeld wird zumindest bis zu dem Zeitpunkt, ab dem eine vorzeitige Altersrente bezogen werden kann, gezahlt;
  • Der Arbeitnehmer scheidet endgültig aus dem Erwerbsleben aus, wobei ein Hinzuverdienst durch geringfügige Beschäftigung möglich ist.

Das Vorruhestandsgeld ist – wie "gewöhnliches" Arbeitsentgelt – lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig, mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (eine Arbeitslosigkeit kann im Vorruhestandsmodell nicht mehr eintreten). Dadurch können auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung weiter aufgebaut werden.

Transfergesellschaft

Schließlich kann zur Überbrückung bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters auch eine Transfergesellschaft genutzt werden. Sofern aufgrund des Personalabbaus eine Betriebsänderung vorliegt, kommt für die Dauer von 12 Monaten eine Förderung durch Transferkurzarbeitergeld in Betracht. Dabei wird durch den Arbeitgeber für gewöhnlich zum Transferkurzarbeitergeld i.H.v. 60% bzw. 67% ein Aufschlag (vergleichbar dem Aufstockungsbetrag beim "normalen" Kurzarbeitergeld) gezahlt.

Hieran schließt sich für einen Zeitraum von 24 Monaten – längstens bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters – die Zahlung von Arbeitslosengeld I an. Hierzu kann der Arbeitgeber wiederum einen Zuschuss erbringen, der als Abfindungsentschädigung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt wird. Die bei diesem Modell eintretenden Rentenabschläge können vom Arbeitgeber zumindest teilweise durch eine steuerlich privilegierte Ausgleichszahlung nach § 187 SGB VI kompensiert werden.

In unserem Corona-Center (Link: https://cms.law/de/deu/insight/covid-19) haben wir aktuelle Informationen zu rechtlichen Fragen und Maßnahmen in der Corona-Krise zusammengefasst. Wenn Sie unsere Newsletter oder Einladungen zu unseren regelmäßig stattfindenden arbeitsrechtlichen Veranstaltungen erhalten möchten, sprechen Sie uns bitte gerne an.

Kontakt:
CMS Hasche Sigle

Dr. Antje-Kathrin Uhl
Rechtsanwältin

Dr. Anja Schöder, LL.M.
Rechtsanwältin

 

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