Arbeitsrechtliche Restrukturierungsinstrumente (Teil 1)

Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Insbesondere die Digitalisierung und der Vormarsch der E-Mobilität stellen die Unternehmen der Branche vor große Herausforderungen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Gesamtsituation, die für viele Arbeitgeber, auch bedingt durch die Corona-Krise, ernsthafte Folgen hat. Schon bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten können arbeitsrechtliche Maßnahmen helfen, Personalkosten zu senken. Wenn solche Maßnahmen nicht mehr ausreichen, müssen auch Restrukturierungen wie z. B. Personalanpassungen als Mittel zur Unternehmensrettung in Betracht gezogen werden. Schließlich, wenn auch diese Maßnahmen nicht mehr greifen, kann eine Insolvenz drohen. In unserem dreiteiligen Newsletter geben wir Ihnen einen Überblick über arbeitsrechtliche Gestaltungselemente zur Personalkostenreduzierung bei vorübergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten (Teil 1), bei der Notwendigkeit von Personalabbaumaßnahmen (Teil 2) und im Zusammenhang mit einer (drohenden) Insolvenz (Teil 3). Hier geht es zum ersten Teil des Newsletters:

 

Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 verlängert

Wie bereits in unserem letzten Newsletter berichtet, hat sich die Koalition am 25.08.2020 auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis zum 31.12.2021 verständigt. Die verlängerte Bezugsdauer gilt jedoch nur für Betriebe, die bis zum 31.12.2020 Kurzarbeit eingeführt haben. Vom 01.07.2021 bis längstens zum 31.12.2021 erfolgt eine 100%ige Erstattung nur, wenn während der Kurzarbeit eine Qualifizierung stattfindet.

Auftragsmangel für Weiterbildung nutzen

Stichwort Qualifizierung: Sofern der Beschäftigungsbedarf wegen fehlender Aufträge sinkt, Personal aber nicht entlassen werden soll, sollten Arbeitgeber erwägen, diese Zeit für die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu nutzen. Unter bestimmten Voraussetzungen können sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer von der Bundesagentur für Arbeit unterstützt werden; es besteht die Möglichkeit, dass die Bundesagentur für Arbeit Weiterbildungen von Arbeitnehmern bezuschusst. Einzelheiten regeln das "Qualifizierungschancengesetz" und das "Arbeit-von-morgen-Gesetz". Beide Gesetzesinitiativen haben wir an dieser Stelle bereits vorgestellt.

Personal(kosten)reduzierung durch Freiwilligenprogramm

Wenn Personalkosten gesenkt, aber ein – zumindest einseitiger – Personalabbau vermieden werden soll, kommen Freiwilligenprogramme in Betracht. Solche Programme zielen darauf ab, durch einvernehmliche Regelungen mit den Arbeitnehmern einen sozialverträglichen Personalabbau durchzuführen. Im Mittelpunkt stehen regelmäßig feste Konditionen für Abfindungen im Rahmen von Aufhebungsverträgen oder die Modalitäten von Vorruhestands- bzw. Altersteilzeitlösungen.

Der wesentliche Vorteil eines Freiwilligenprogramms liegt darin, dass bezüglich der Auswahl der teilnehmenden Arbeitnehmer – anders als bei betriebsbedingten Kündigungen – keine Sozialauswahl durchgeführt werden muss. Aufgrund der freiwilligen Teilnahme ist zudem eine zügige Durchführung des Personalabbaus möglich. Auch werden zeit- und kostenaufwendige Kündigungsschutzprozesse vermieden. Ein Freiwilligenprogramm kann damit auch die Akzeptanz des Personalabbaus innerhalb der Belegschaft stärken und einen Reputationsverlust in der Öffentlichkeit verhindern.

Vor der Durchführung des Freiwilligenprogramms empfiehlt sich die Erstellung einer sog. „ABC- oder Ampelliste“. Führungskräfte sollten beurteilen, ob es sich bei den Arbeitnehmern um Leistungsträger, um durchschnittliche Arbeitnehmer oder ggf. um Low Performer handelt. Gleichwohl muss man realistisch bleiben: Häufig sind gerade die Arbeitnehmer, von denen sich der Arbeitgeber gerne trennen möchte, nicht bereit, das Unternehmen auf freiwilliger Basis zu verlassen. Empfehlenswert ist regelmäßig, das Prinzip der sog. doppelten Freiwilligkeit in dem Programm zu verankern. Das bedeutet, dass weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer Vorruhestands- bzw. Altersteilzeitlösung verpflichtet ist.

Ist mit dem bezweckten Personalabbau eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG verbunden oder liegt die Betriebsänderung allein in dem Personalabbau, sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Da ein Aufhebungsvertrag auch als „Entlassung“ im Sinne des § 17 KSchG zählt, sind bei Überschreiten der maßgeblichen Schwellenwerte zudem die Informations- und Beratungspflichten für sog. Massenentlassungen zu berücksichtigen. Zudem bedarf es dann einer förmlichen Massenentlassungsanzeige gegenüber der Arbeitsagentur. Fehler in diesem Verfahren führen zur Unwirksamkeit der anzeigepflichtigen Aufhebungsverträge.

Ausblick

In unserem Corona-Center (Link: https://cms.law/de/deu/insight/covid-19) haben wir aktuelle Informationen zu rechtlichen Fragen und Maßnahmen in der Corona-Krise zusammengefasst. Wenn Sie unsere Newsletter oder Einladungen zu unseren regelmäßig stattfindenden arbeitsrechtlichen Veranstaltungen erhalten möchten, sprechen Sie uns bitte gerne an.

Kontakt:
CMS Hasche Sigle

Dr. Antje-Kathrin Uhl
Rechtsanwältin

Dr. Anja Schöder, LL.M.
Rechtsanwältin

 

Link zur Homepage: cms.law

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