Arbeitsrecht in der Pandemie - Fünf gerichtliche Entscheidungen

Arbeitsrecht in der Pandemie - Fünf gerichtliche Entscheidungen

Die COVID-19-Pandemie begleitet uns inzwischen seit zwei Jahren und hat das Arbeitsleben maßgeblich geprägt. Inzwischen sind Rechtsfragen rund um die Pandemie auch bei den Arbeitsgerichten angekommen. Wir stellen Ihnen fünf Entscheidungen vor.

BAG: Keine Vergütung bei behördlicher Schließungsanordnung

Vor dem Hintergrund, dass im April 2020 mit dem ersten staatlich verhängten „Lockdown“ aufgrund von Allgemeinverfügungen der Bundesländer zur Eindämmung des Coronavirus Ladengeschäfte geschlossen wurden, entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.10.2021 (5 AZR 211/21), dass das Risiko des Arbeitsausfalls in einem solchen Fall nicht der Arbeitgeber trägt und dieser daher auch nicht zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist. Denn mit der vorübergehenden Schließung durch behördliche Anordnung verwirklicht sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kein spezifisches Betriebsrisiko. Einem Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs wurde damit eine Absage erteilt. Vielmehr sei es Sache des Staates, die infolge des hoheitlichen Eingriffs entstehenden finanziellen Nachteile durch adäquate Regelungen auszugleichen.

Arbeitsrechtliche Sanktionen bei „Corona-Test-Verweigerern“

Verstößt ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der am Arbeitsplatz nunmehr geltenden 3G-Regelung gegen seine Pflicht, regelmäßig ein negatives Corona-Testergebnis vorzulegen, kann dies - nach vorheriger Abmahnung - eine wirksame Kündigung nach sich ziehen. Das Arbeitsgericht Hamburg entschied schon in seinem Urteil vom 24.11.2021 (27 Ca 208/21), dass die Weigerung eines Arbeitnehmers der vom Arbeitgeber (freiwillig) angeordneten Corona-Testpflicht nachzukommen, einen Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt. Im konkreten Fall hätte als milderes Mittel jedoch zunächst eine Abmahnung erfolgen müssen.

Nach Änderung des Infektionsschutzgesetzes, wonach Arbeitnehmer mit physischen Kontakten regelmäßig einen 3G-Nachweis vorlegen müssen, sind die arbeitsrechtlichen Handlungsmöglichkeiten für die Arbeitgeber klarer. Kann der Arbeitnehmer keinen 3G-Nachweis führen und ist ihm deswegen der Zutritt zur Arbeitsstätte zu verweigern, bietet er seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an und hat deshalb auch keinen Entgeltzahlungsanspruch. Zudem kommt bei wiederholter Testverweigerung bzw. Nichtvorlage eines 3G-Nachweises eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wobei in der Regel eine vorherige Abmahnung erforderlich ist. Außerdem sieht das Infektionsschutzgesetz einige Besonderheiten vor, z.B. muss der Arbeitgeber nach § 28b Abs. 4 IfSG Homeoffice ermöglichen, solange keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.

Direktionsrecht umfasst Anordnung von PCR-Tests

Die Anordnung zur Durchführung von PCR-Tests im Rahmen eines betrieblichen Hygienekonzepts ist auch ohne konkreten Ansteckungsverdacht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst – so entschied das Landesarbeitsgericht München in seinem Urteil vom 26.10.2021 (9 Sa 332/21). Arbeitnehmer, die sich weigern, an arbeitgeberseitig angeordneten und kostenlos zur Verfügung gestellten PCR-Testungen teilzunehmen und infolgedessen nicht weiter beschäftigt werden, können daher keine Lohnfortzahlung wegen Annahmeverzugs beanspruchen. Neben einer im konkreten Fall einschlägigen Tarifvertragsnorm, wird dies insbesondere auf die allgemeine Fürsorgepflicht sowie die Pflichten des Arbeitgebers aus den Arbeitsschutzgesetz gestützt. Danach muss der Arbeitgeber alle zumutbaren Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus ergreifen. PCR-Test-Anordnungen sind nach Auffassung des Gerichts ein geeignetes Mittel, um Ansteckungen im Betrieb zu verhindern und so die Gesundheit der potenziell betroffenen Arbeitnehmer zu schützen.

Kein Fernbleiben wegen Angst vor Ansteckung

In seinem Urteil vom 11.03.2021 entschied das Arbeitsgericht Kiel (6 Ca 1912 c/20), dass die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, die Arbeit vor Ort im Betrieb zu erbringen, um keine Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus zu riskieren, eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Der Kläger (Arbeitnehmer), der sich selbst als Risikopatient einstufte, brach seine im Betrieb durchzuführende Einarbeitung zweier neu eingestellter Mitarbeiter mit der Begründung eigenmächtig ab, seine geplante (genehmigte) Urlaubsreise durch vorherige Ansteckung nicht gefährden zu wollen. Obwohl von der Beklagten (Arbeitgeber) sämtliche Hygiene- und Schutzvorgaben beachtet wurden, weigerte sich der Kläger auf wiederholte Nachfrage, persönlich im Betrieb zu erscheinen. Die angewiesene Tätigkeit der Einarbeitung im Betrieb entsprach nach Auffassung des Gerichts auch in der Corona-Pandemie billigem Ermessen und war daher rechtmäßig. Die Beklagte habe alle Arbeitsschutznormen gewahrt, insbesondere bestand kein Zwang zum Homeoffice. Die mögliche Gefährdung der Urlaubsplanung des Arbeitnehmers sei weniger gewichtig als das Leistungsinteresse des Arbeitgebers.

Kein Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds unter Verweis auf „2G-Regelung“

Hervorzuheben ist auch ein Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.11.2021 (5 BVGa 8/21), in dem es im einstweiligen Verfügungsverfahren über „2G“-Bedingungen im betrieblichen Kontext im Zusammenhang mit der Reichweite des Schutzzwecks von § 78 BetrVG entschied. Einem Betriebsratsmitglied kann nach Auffassung des Gerichts die Teilnahme an einer Betriebsräteversammlung nicht wegen fehlender Vorlage eines Impf- oder Genesungsnachweises verweigert werden, wenn es zu Beginn der Sitzung einen negativen PCR-Test vorlegt. Die von § 78 BetrVG geschützte freie Mandatsausübung eines Betriebsratsmitglieds dürfe – jedenfalls nach derzeit geltender Rechtslage - nicht durch die eigenmächtige Einführung von „2G“-Bedingungen eingeschränkt werden. Für Eingriffe in den Schutzbereich des § 78 BetrVG bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, an der es bislang fehle.

Auch durch die neue Rechtslage dürfte sich keine wesentliche Änderung ergeben: Der am 24.11.2021 geänderte § 28b IfSG verpflichtet die Arbeitsvertragsparteien nur zur Einhaltung der „3G“-Regel. Es bleibt deshalb spannend, wie in derartigen Konstellationen in Zukunft entschieden wird, wenn es zur Einführung strengerer Gesundheitsmaßnahmen in den Betrieben kommen sollte.

 

 

Dr. Anja Naumann, LL.M.

Rechtsanwältin

Sven Groschischka

Rechtsanwalt

 

 

 

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